Berlin – Für den früheren Welt- und Europameister Günter Netzer ist Fußball heute nicht mehr die Nummer eins.
«Ich gebe zu, die ganz große Begeisterung für den Fußball ist nicht mehr vorhanden», sagte Netzer im «kicker»-Interview. Früher habe er sich nicht vorstellen können, jemals ein Spiel im Fernsehen zu verpassen oder große Spiele nicht zu besuchen: «Ich konnte mir allerdings auch nicht vorstellen, dass ich einen Tag ohne Diskotheken auskomme», sagte Netzer lachend.
Netzer feiert am Samstag seinen 75. Geburtstag und blickt auf ein «rundum zufriedenes Leben» zurück. Netzer, dessen Herzensclub Borussia Mönchengladbach ihn unlängst mit einer eigenen Ausstellung ehrte, zog vor allem aus Rückschlägen viel Kraft. «Es gab viele Aufs und Abs, Gott sei Dank, immer wieder Phasen, in denen ich auf die Schnauze gefallen bin. Daraus habe ich gelernt und den nächsten Entwicklungsschritt gemacht», blickte Deutschlands Fußballer des Jahres 1972 und 1973 zurück.
Netzer gilt bis heute als einer der besten Mittelfeldspieler der Bundesliga-Geschichte. Sportlich am meisten zu verdanken habe er Trainer Hennes Weisweiler, auch wenn es zwischen den beiden immer wieder zu Reibereien kam: «Bei allen Streitereien mit Weisweiler: Er hat mich gemacht und Borussia Mönchengladbach.» Legendär sein Tor zum 2:1 im DFB-Pokalfinale 1973 gegen den 1. FC Köln. Weisweiler ließ seinen Star zunächst auf der Bank. Nachdem er in der Pause seine Einwechslung verweigerte, wechselte sich Netzer beim Stand von 1:1 selbst ein und erzielte wenigen Minuten später das Siegtor.
Netzer wurde mit den Borussen 1970 und 1971 deutscher Meister und 1973 Pokalsieger, eher er dann zu Real Madrid wechselte und dort zweimal spanischer Meister sowie Pokalsieger wurde. In der Zeit wurde Netzer auch zum «Fußball-Popstar». «Ich habe die Öffentlichkeit nicht geliebt, obwohl es manchmal so schien. Ich machte es mit, schlitzohrigerweise, das musste man, weil es den Wert gesteigert und die Kasse voll gemacht hat», bekannte der 37-malige Nationalspieler.
Wie sich Fußballer heute in den sozialen Medien präsentieren, kann er nicht nachvollziehen: «Die Öffentlichkeit derart an meinem ganzen Leben teilhaben zu lassen, wäre bei mir nicht infrage gekommen.» Die Spieler würden zwar stärker beansprucht als früher: «Dafür kann ich sie nicht bemitleiden, weil sie sich diesen Druck gewünscht haben. Sie werden hofiert und gut bezahlt, deshalb dürfen sie sich nicht beschweren.»
Für Netzer, der vor drei Jahren eine Herzoperation mit sechs Bypässen hatte, ist der Argentinier Lionel Messi das Nonplusultra. «Messi ist ein Wunderwerk des Fußballs. Vielleicht war Maradona technisch noch eine Spur besser, aber er ist nicht zu vergleichen mit Messi», sagte der langjährige ARD-TV-Experte Netzer.
(dpa)