Berlin – Seit sechs Jahren hält Serientäter FC Bayern die Bundesliga fest im Klammergriff. Vor dem Start der 56. Spielzeit hofft das Fußball-Oberhaus nun auf ein Ende der Münchner Dominanz.
Auch wenn der Rekordmeister bei Fans und den meisten Experten in der neuen Saison wieder als haushoher Favorit gilt, gibt es doch Argumente gegen einen weiteren spannungsarmen Durchmarsch der Bayern.
PRO BAYERN:
IMPULSGEBER: Der neue Bayern-Trainer Niko Kovac brennt vor Ehrgeiz. Nach dem zu gemütlichen Carlo Ancelotti und Veteran Jupp Heynckes setzt der 46-Jährige frische Reize und will das Vertrauen der Bayern-Bosse mit Titeln zurückzahlen. Sein Vorteil: Kovac kennt die Regeln der berühmten Bayern-Kabine aus Spielerzeiten und weiß, wie er mit den Empfindlichkeiten der Stars umgehen muss. Das 5:0 im Supercup gegen seinen alten Arbeitgeber Eintracht Frankfurt war ein Fingerzeig, dass Kovac sein Team schnell ins Laufen gebracht hat. «Es wird hart gearbeitet und wieder auf Disziplin großen Wert gelegt», lobt Präsident Uli Hoeneß. Kovac sei der «richtige Trainer».
WM-WUT: Bayerns große Nationalspieler-Fraktion um Manuel Neuer, Mats Hummels und Thomas Müller brennt nach der verkorksten WM darauf, sich neu zu beweisen. Das könnte die Liga zu spüren bekommen. Das Russland-Debakel dient als Motivationsspritze für den zuletzt bisweilen eintönigen Alltag.
TORMASCHINE: Er wollte weg. Aber jetzt schießt Robert Lewandowski eben weiter für die Bayern Tore am Fließband. Drei im Supercup, eins im Pokal – der Pole bleibt zumindest national der Erfolgsgarant der Münchner. Lewandowski ist Musterprofi und wird sich vom Ärger über geplatzte Wechselträume nicht vom Toreschießen abhalten lassen.
MIA SAN MIA: Der Meistertitel gehört zum bayerischen Selbstverständnis. Das Team ist enorm erfahren, auf allen Positionen mit herausragender Klasse besetzt. Auch an schwächeren Tagen sind die abgezockten Münchner in der Bundesliga kaum zu bezwingen, zumal die Qualität der Konkurrenz in Deutschlands Eliteklasse zuletzt oft zu wünschen übrig ließ. Die Dauerbelastung mit drei Wettbewerben ist für die Münchner Gewohnheitssache. Und zur Not hilft der berüchtigte Bayern-Dusel.
KONTRA BAYERN:
STILFRAGE: Das schlappe 1:0 beim Viertligisten Drochtersen/Assel im Pokal dürfen die Bayern-Jäger als Mutmacher werten. Die Amateure zeigten, wie man den Münchnern mit viel Leidenschaft und geschickter Defensive den Spaß und die Stärken raubt. Dass der von Pep Guardiola beim Rekordmeister geprägte Ballbesitzfußball nicht mehr zwingend zum Erfolg führt, haben die Niederlage im Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt und auch die jüngste WM gezeigt. Coach Kovac muss erst noch beweisen, ob er den Bayern auch andere Stilmittel beibringen kann.
HAMMERSTART: Der Blick auf den Spielplan lässt hoffen, dass die Bayern nicht schon zum Herbstanfang enteilt sind. Der Auftakt gegen die formstarken Hoffenheimer von Julian Nagelsmann, die im Pokal auch ersatzgeschwächt 6:1 in Kaiserslautern siegten, birgt Stolpergefahr. Es folgt ein Gastspiel beim VfB Stuttgart, im Mai 4:1-Sieger in München. Bayer Leverkusen und Vizemeister FC Schalke 04 prüfen die Bayern an den Spieltagen drei und vier. Diese Startwochen könnten den Titelverteidiger vor Probleme stellen.
TRANSFERGEIZ: Die Bayern haben auf einen Top-Einkauf verzichtet. Sie haben lediglich zehn Millionen Euro in das Talent Alphonso Davies investiert. Der noch 17 Jahre alte Kanadier kommt zum 1. Januar 2019. Die Neuen Leon Goretzka und Serge Gnabry müssen sich erst durchsetzen. Das Mentalmonster Arturo Vidal ließen die Münchner nach Barcelona gehen, in Weltmeister Jérôme Boateng und Nationalspieler Sebastian Rudy könnten sich noch zwei Nationalspieler verabschieden. Ob Franck Ribéry (35) und Arjen Robben (34) noch einmal gesund und am Leistungszenit aufspielen können, ist fraglich. Wer will, kann darin ein paar mögliche Schwachpunkte im Münchner Team entdecken.
JAGDFIEBER: Borussia Dortmund hat viel Geld für neues Personal wie Belgiens WM-Abräumer Axel Witsel ausgegeben und in Lucien Favre einen Trainer, der als Taktikfuchs und Bessermacher gilt. Auch die Schalker haben in ihren Kader investiert und Erfolgscoach Domenico Tedesco langfristig gebunden. RB Leipzig wird wieder von Ralf Rangnick angetrieben. Julian Nagelsmann spricht vor seinem letzten Jahr in Hoffenheim sogar vom Meistertitel, nennt als seinen Favoriten aber die Leverkusener. Denn irgendwann muss die Serie der Bayern ja enden. Warum also nicht dieses Jahr?
(dpa)