Modric & Co.: Das Ende der Goldenen Generation naht

Moskau – Vor ihrem rauschenden Empfang in der Heimat sehnten sich Kroatiens neue Nationalhelden um Luka Modric nach einer Zeitmaschine.

Nicht, um das verlorene WM-Finale gegen Frankreich noch einmal zu spielen – sondern um das nahende Ende der zweiten Goldenen Generation verhindern zu können. «Ich wünschte, wir wären jetzt 24, jeder von uns und besonders Luka», sagte der 29 Jahre alte Verteidiger Dejan Lovren traurig. «Es gibt eine Zeit, in der alles zu Ende geht.»

Die Silbermedaille als Zeichen eines nie da gewesenen Erfolgs wollte Modric selbst auf dem Weg Richtung nach Hause zunächst am liebsten gar nicht mehr vom Hals nehmen. Denn auch der stolze Superstar von Real Madrid realisierte, dass es zumindest in dieser Zusammenstellung womöglich der letzte Angriff seines Teams auf den Weltmeister-Titel gewesen sein könnte.

Beim Anpfiff der nächsten WM im November 2022 in Katar wird Modric 37 Jahre alt sein, auch Mario Mandzukic (36), Ivan Rakitic (34) oder Torwart Danijel Subašić (38) sind dann über ihren Zenit hinaus. «Wir waren so nah dran und haben den besten Fußball gespielt», sagte Modric nach dem schmerzhaften 2:4. «Wir haben mehr verdient.»

Den größten Lohn für sein Zauber-Turnier mit dem ersten Finaleinzug der kroatischen WM-Geschichte könnte sich der schmächtige Regisseur und Kapitän der «Vatreni» am 24. September in London bei der Kür des Weltfußballers abholen. Nach dem Gewinn des Goldenen Balls für den besten Spieler der WM ist Modric nun auch heißester Kandidat, die zehnjährige Dauer-Regentschaft von Cristiano Ronaldo und Lionel Messi zu beenden.

Doch für Modric stehen abseits des Platzes demnächst auch weniger erfreuliche Termine an. Nach einer Anklage wegen Falschaussage im Prozess gegen den kroatischen Fußball-Zampano Zdravko Mamic droht ihm bei einer Verurteilung eine jahrelange Haftstrafe.

Mamic selbst gratulierte aus seinem Exil im benachbarten Bosnien-Herzegowina via Facebook: «Ihr habt noch einmal bewiesen, dass der kroatische Fußball trotz aller Probleme, mit denen er konfrontiert ist, trotz dessen, dass wir nicht ein einziges Stadion haben, das unserer Mannschaft würdig ist, das Beste ist, was der kroatische Sport und der Weltsport haben.» Er wurde gemeinsam mit seinem Bruder und weiteren Helfershelfern zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil er umgerechnet 17 Millionen Euro bei Spielertransfers in die eigene Tasche gewirtschaftet hatte.

Der Jubel über das beste Resultat, das sogar den Halbfinaleinzug von Davor Suker & Co. 1998 toppte, fiel angesichts der Affäre umso größer aus. «Kroatien ist für uns die Nummer 1 der Welt», schrieb das Internetportal «Index» und spielte auf die zahlreichen Skandale an. «Die Nummer 1 definiert sich nicht allein über die Trophäe, sondern durch die Fähigkeit und die Kraft, sich aus den dunkelsten Momenten seines sportlichen Lebens zu befreien und bis zur Spitze zu kommen.»

Von dem drohenden WM-Aus in der Qualifikation hatte Trainer Zlatko Dalic seine Mannschaft fast bis auf diesen Gipfel geführt. Doch ob er auch bis zur EM 2020 weitermacht, ließ der unkonventionelle 51-Jährige offen. «Was ich nun brauche, ist ein bisschen Ruhe», sagte Dalic auf die Frage zu seinem endenden Vertrag. «Es war herrlich, mit den Jungs zu arbeiten. Ich werde eine Auszeit nehmen, durchatmen. Ich treffe Entscheidungen nie über Nacht.»

Die Kroaten präsentierten sich als vorbildliche Verlierer, motzten nicht lange über den Handelfmeter, den Schiedsrichter Nestor Pitana erst nach Videobeweis gab, und der vor dem 1:2 zur Vorentscheidung wurde. Stattdessen stand die mitfühlende Art von Kroatiens Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic sinnbildlich für den tapferen Umgang mit dem Schmerz der Niederlage. Franzosen wie Kroaten herzte sie gleichermaßen bei der Siegerehrung, auch der Regen machte ihr gar nichts aus. So ließ sie es sich nicht nehmen, völlig durchnässt das Team in der Kabine wieder aufzurichten.

Nach der Ankunft am Flughafen Zagreb sollte es am frühen Nachmittag für die Silbergewinner mit dem offenen Bus zum Ban-Jelacic-Platz gehen. Anschließend wollte Grabar-Kitarovic die Nationalhelden an ihrem Amtssitz empfangen und mit einem Orden auszeichnen. Es könnte nicht die letzte Ehre für Modric & Co. gewesen sein.


(dpa)

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