Baku – Dass Mesut Özil kein Fußball-Nationalspieler mehr ist, dürfte nach dem lautstarken Abgang im vergangenen Sommer jeder mitbekommen haben. Seitdem ist es relativ ruhig geworden um den Weltmeister von 2014.
In deutschen Medien hat er sich zuletzt nicht mehr geäußert. Doch beim FC Arsenal, mit dem Özil im Europa-League-Finale am Mittwoch (21.00 Uhr MESZ/RTL, Nitro und DAZN) auf den FC Chelsea trifft, ist der 30-Jährige Mitglied eines kleinen deutschen Teams im Team – und in diesem anerkannt und beliebt.
Neben Özil, mit dem im Final-Ort Baku auf meterhohen Plakaten geworben wird, spielen in Bernd Leno und Shkodran Mustafi zwei weitere deutsche Nationalspieler bei den Gunners. Dazu in Sokratis, Pierre-Emerick Aubameyang, Henrich Mchitarjan (alle früher in Dortmund), Sead Kolasinac (Schalke) und Granit Xhaka (Mönchengladbach) fünf ehemalige Bundesliga-Profis. Und sie schwärmen alle von ihrem Mitspieler, dessen Nationalmannschafts-Abgang fragwürdig war. Nach dem umstrittenen Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan erklärte er sich nicht öffentlich, am Ende trat er mit heftigen Vorwürfen zurück. Eine Aussprache mit Bundestrainer Joachim Löw, seinem einstigen Förderer, gab es bis heute nicht.
«Mesut ist ein sehr guter Freund, der mir gerade am Anfang viel geholfen hat», sagte Mustafi, mit Özil vor fünf Jahren Weltmeister, dem «kicker». Kolasinac betonte: «Nur Teamkollegen können ermessen, welchen Wert er für diese Mannschaft hat. Er schreit nicht herum, nur um zu zeigen, dass er die Mitspieler puscht. Aber er geht in der Kabine auf jeden Spieler zu.» Und auch Xhaka stellte klar: «Mesut ist sehr wichtig für uns – auf dem Feld und auch daneben.»
Doch ob Özil auch in der kommenden Saison der deutschen Arsenal-Fraktion angehört, ist fraglich. Trainer Unai Emery, der im vergangenen Sommer nach 22 Jahren Arsene Wenger ablöste, sortierte den Spielmacher in der Hinrunde teilweise aus. «In der Formation, in der wir derzeit spielen, ist es schwieriger, einen Platz für Özil zu finden», hatte er nach der zwischenzeitlichen Umstellung auf eine Dreierkette gesagt.
Insgesamt neun Mal stand Özil in dieser Saison nicht im Kader, obwohl er gesund war. Bei fünf weiteren Pflichtspielen saß er für 90 Minuten auf der Bank. Nur elf Mal spielte er durch. Unersetzlich sieht anders aus. Zuletzt zeigte die Formkurve des Edel-Technikers wieder nach oben, seine Zukunft ist dennoch unklar. Angesichts eines bis 2021 laufenden Vertrages von Özil und Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang sagte Geschäftsführer Vinai Venkatesham kürzlich: «Wir werden mit diesen Spielern verlängern – oder wir werden sie verkaufen.»
Die Alternativen Özils scheinen aber unklar. Er ist weiterhin ein Weltstar, sein Ruf hat durch die Erdogan-Affäre und die durchwachsene Saison aber Kratzer erhalten. Außerdem müssten potenzielle Käufer tief in die Tasche greifen und angesichts seines Alters damit rechnen, ihn nicht weiterverkaufen zu können.
Özil selbst verfolgt das alles mit derselben Gelassenheit, mit der er auch die heftige Kritik an den Erdogan-Fotos aussaß. «Ich weiß, dass es Leute gibt, die mich mögen und welche, die mich nicht mögen», sagte er neulich der «Daily Mail»: «Aber ich höre nicht darauf, was andere sagen. Das beeinflusst mich wirklich gar nicht.»
Das darf man Mesut Özil wahrhaft glauben. Denn es war in seiner Karriere stets seine Stärke und Schwäche zugleich.
(dpa)