Merk über WM-Videobeweis: «Beispielgebend» für Bundesliga

Moskau – Der frühere Referee Markus Merk ist mit fünf Einsätzen deutscher Rekord-Schiedsrichter bei Fußball-Weltmeisterschaften.

Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht der 56-Jährige über die bisherigen Leistungen der Unparteiischen in Russland, den Videobeweis und die Chancen für Felix Brych aus München.

Markus Merk über…

…die bisherigen Schiedsrichterleistungen: Es sind hervorragende Leistungen, die Dichte ist unglaublich hoch in diesem Turnier. Man hat angefangen, die Besten sofort zu Beginn der WM auf den Platz zu schicken und nicht die Unerfahrenen. Beispielsweise bringen auch der Iraner Alireza Faghani oder am Montagabend der Senegalese Malang Diedhiou bei Belgien gegen Japan das nötige Spielverständnis auf den Platz. Man sieht, dass auch hier die Welt nicht still steht. Pierluigi Collina hat das Schiedsrichterwesen mit großer Professionalität weiter entwickelt.

…die WM-Premiere des Videobeweises: Man war perfekt vorbereitet auf den Moment. Das Produkt kann so gut sein, wie es will – es muss beim Konsumenten angekommen. Die Transparenz hat beim Videobeweis beispielsweise in der Bundesliga gefehlt, der Zuschauer im Stadion war allein gelassen. Es ist im internationalen Fußball zwar etwas einfacher als in den Ligen, in denen es noch eine höhere Emotionalität gibt. Aber es ist beispielgebend, was bei der WM gemacht wird. Die FIFA hat hier den Nationalverbänden die Messlatte recht hoch gelegt. Spannend wird sein, wie weit die FIFA den Nationalverbänden die technischen Möglichkeiten zur Verfügung stellt.

…die weiteren WM-Chancen von Felix Brych: Ich hoffe, dass er nochmal zum Einsatz kommt. Die Tendenz bei großen Turnieren ist aber, dass die Schiedsrichter im Fluss bleiben. Viele Schiedsrichter haben bereits drei Spiele absolviert. Erfahrungsgemäß ist es kein gutes Zeichen, wenn du nach einem Vorrundenspiel kein weiteres Spiel bekommen hast. Wenn du in die Kritik gerätst und sogar zu einem Politikum wirst, hast du kaum noch eine große Chance in dem Turnier. Dann nimmt die Kommission lieber einen, der in mehreren Spielen überzeugt hat und schadlos durch das Turnier gekommen ist. Es ist auch immer eine politische Frage, wie das Finalspiel verteilt wird. Der Erfahrung nach sieht es aber ungünstig für Felix aus.

…die freie Zeit bei einem Turnier: Bei der WM 2002 in Japan und Südkorea bekam jeder der 36 Schiedsrichter mindestens ein Spiel. Wir hatten das 31. Spiel und waren damit erst nach zweieinhalb Wochen dran. Das ist verdammt schwer. Wenn du Spiele hast, bist du zwei, drei Tage vorher in einem individualisierten Trainingsprogramm. Wenn du keinen Einsatz hast, bist du in einer großen Trainingsgruppe. So ein Turnier wird dann unfassbar lang und du wartest jeden Tag auf den Einsatz. Wenn du nicht auf der Liste stehst, ist es grausam und eine bittere Zeit. Es ist wie bei jedem anderen Athleten: Wenn du länger rumsitzt, ist es schwieriger wieder rauszugehen.

ZUR PERSON: Markus Merk (56) leitete bei den WM-Endrunden 2002 und 2006 fünf Spiele, mehr Einsätze hat kein deutscher Referee. Bei der EM 2004 pfiff er das Finale zwischen Griechenland und Portugal. In der Bundesliga war er von 1988 bis 2008 in 338 Partien aktiv.


(dpa)

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