Marcin Budkowski: Der Formel-1-Mann, der zuviel weiß

Sepang – Es ist Anfang der Woche, als Marcin Budkowski seinen sofortigen Abschied verkündet. Eigentlich klingt das auch bloß nach einer Randnotiz: Der Technikdirektor beim Motorsport-Weltverband FIA geht. Hinter dieser Personalie verbirgt sich aber eine Menge Brisanz.

Vor allem steckt dahinter eine Menge Insiderwissen. Budkowski ist der Mann, der zuviel weiß. Und das wissen auch die Rennställe. Gerade dieser Budkowski, lange Assistent von FIA-Renndirektor Charlie Whiting und Kandidat auf dessen Nachfolge, peilt einen neuen Job bei einem Formel-1-Team an. Und das sorgt für Unruhe im Fahrerlager.

«Wir werden erhebliche Einwände anmelden, falls er bei einem anderen Team landet», kündigte Red-Bull-Teamchef Christian Horner am Rande des Grand Prix von Malaysia schon mal. «In solche Personen steckt man eine Menge an Vertrauen. Marcin hatte in seiner Rolle eine extrem privilegierte Position.» Erst vor Kurzem habe der 40-Jährige Zugang zu den Windtunneln der Rennställe gehabt und Blicke auf «vertrauliche Details» der Wagen für die kommende Saison werfen können.

Drei Monate darf der Pole, der vor seinem FIA-Engagement für McLaren und Ferrari arbeitete, keinen neuen Job antreten. Länger beträgt die Arbeitssperre dem Vernehmen nach nicht. Das ist keine lange Zeit – vor allem, wenn man über soviel Hintergrundwissen in Sachen Technik und Reglement verfügt.

Angeblich will sich Renault die Dienste Budkowskis sichern. Seine kurze Sperre sei «absolut unangemessen», kritisierte Horner. «Ich bin mir sicher, dass darüber sehr ernsthaft beim nächsten Treffen der Strategiegruppe diskutiert wird.» Diese besteht aus Vertretern der FIA und des Formel-1-Rechteinhabers sowie aus sechs Teams.

Der Zuspruch seiner Kollegen ist Horner sicher. Denn Informationen sind in einem technikgetriebenen Sport wie der Formel 1 Millionen wert. «Die FIA kennt die ganzen Projekte der Teams, und am Ende des Tages ist es eine knifflige Situationen, wenn wir nicht offen zur FIA sein können», beschrieb Sauber-Teamchef Frédéric Vasseur den drohenden Vertrauensverlust zur obersten Regelbehörde.

«Die Teams haben Vertrauen und Glauben in den Dachverband, so dass sie über ihr technisches Knowhow und ihre in vielerlei Hinsicht technischen Geheimnisse im Vertrauen darauf diskutieren können, dass Informationen nicht beim Rivalen landen können», mahnte Horner.

Vor allem nicht, wenn die Frist bis zum nächsten Job nur bei wenigen Wochen liegt, wo doch Entwicklungen stets so früh wie möglich angetrieben werden. «Drei Monate sind nicht lang genug», meinte auch Sportdirektor Otmar Szafnauer von Force India. «Standard in der Industrie für eine Rolle, wie sie Marcin innehatte, würden irgendwo zwischen 12 und 18 Monaten liegen», führte Horner aus.

Für Budkowski dürfte das Ganze eine durchaus unangenehme Situation sein. Für sein kostbares Wissen kann er nichts. Sein Wunsch, sich einen neuen Arbeitgeber zu suchen, ist Alltagsgeschäft in der Industrie. Dass sein bevorstehender Seitenwechsel aber für großen Unmut sorgt, dürfte Budkowski indes keineswegs überraschen. Die Frage ist jetzt bloß: Wann sieht man ihn in der Formel 1 wieder?


(dpa)

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