München – Manuel Neuer will nach sechs Wochen Wettkampfpause im Berliner Olympiastadion unbedingt wieder im Tor des FC Bayern München stehen, um im DFB-Pokalfinale gegen RB Leipzig eine persönlich komplizierte und bisweilen auch frustrierende Fußballsaison zu einem guten Ende zu bringen.
«Ich konnte bei der Meisterschaft nicht mithelfen», sagte der Nationaltorhüter nach dem 5:1 am letzten Bundesliga-Spieltag gegen Eintracht Frankfurt, als er nochmals zuschauen musste. Zum Gewinn von Titel Nummer zwei will er einen aktiven Beitrag leisten. «Die Schale haben wir. Nun wollen wir noch den Pokal holen!»
Die Torwartkluft hatte Neuer vor einer Woche nur zum Empfang der Meistertrophäe in der Münchner Arena übergestreift. Davor hatte er wieder seinem Vertreter Sven Ulreich zuschauen müssen. «Ich gehe davon aus, dass ich gegen Leipzig wieder im Tor stehen werde, wenn alles gut geht in dieser Woche», sagte Neuer danach mit Blick auf das Endspiel um den «Pott», das die Saison mit dem Verein abschließt.
In den geheimen Trainingseinheiten bis zur Abreise des deutschen Rekordpokalsiegers in die Hauptstadt dosierte Neuer die Belastung, um das geplante Comeback nicht zu riskieren. Beobachter der Einheiten gewannen einen positiven Eindruck. Neuers linke Wade, in der am 14. April beim Bundesligaspiel in Düsseldorf Muskelfasern gerissen waren, scheint wieder voll belastbar. «Wenn Manuel gesund ist und das Okay der medizinischen Abteilung bekommt, wird er spielen», sagte Bayern-Trainer Niko Kovac.
Auch Joachim Löw ist gespannt. Der Bundestrainer wird Tribünengast im Olympiastadion sein. Löw hatte seinen Kapitän nur unter Vorbehalt in den Kader für die im Juni noch anstehenden EM-Qualifikationsspiele in Weißrussland und gegen Estland berufen. «Bei Manu, den wir zunächst nominiert haben, werden wir abwarten, wie der Heilungsprozess in den nächsten Tagen voranschreitet», sagte er.
Löw ist vorsichtig geworden bei Neuer. Auch beim FC Bayern wird inzwischen bei ihm genau hingeschaut. Anfangs hatte es geheißen, die Wadengeschichte sei eine Sache von zwei Wochen. Tatsächlich verpasste Neuer dann sechs Partien. Ulreich vertrat ihn ordentlich. Und der Ersatztorwart, den leichte muskuläre Probleme plagen sollen, würde auch gegen Leipzig gerne auflaufen. «Ich bereite mich so vor, als ob ich spiele», sagte er nach dem Gewinn der Meisterschaft: «Wenn ich nicht spiele, liegt es an Manu, uns den Sieg in Berlin zu holen.»
Im verlorenen Finale gegen Eintracht Frankfurt (1:3) vor einem Jahr lief auch Ulreich in Berlin auf, weil Neuer verletzt war. Erst bei der WM in Russland stand er nach einem Mittelfußbruch wieder im Tor. Die Verletzungsanfälligkeit des 33-Jährigen hat zugenommen.
Auch Neuer kann die Uhr nicht anhalten. In der Rückrunde stoppte ihn erst eine Blessur am rechten Daumen, dann die an der Wade. «Ich habe gute Leistungen gebracht, aber mich leider zweimal verletzt», sagte er in einem ersten Saisonfazit nach dem Gewinn des Meistertitels.
Neuer hat den Nimbus des immer funktionierenden Ausnahmekönners eingebüßt. Weltklasseleistungen sind nicht mehr Normalität. In der Nationalmannschaft rüttelt Kronprinz Marc-André ter Stegen an seinem Thron. Unantastbar ist Neuer nicht mehr. In München wird schon über mögliche Nachfolger geraunt. U21-Nationaltorhüter Alexander Nübel (22), pikanterweise wie Neuer aus der Knappenschmiede des FC Schalke 04, gilt auf Sicht als Kandidat.
Das Pokalfinale und die anschließenden Länderspiele sind darum wichtig für Neuer. «Für mich persönlich gab es Höhen und Tiefen», sagte er bei der Leistungsbeurteilung im Nach-WM-Jahr, in dem es für die Münchner Serienmeister insgesamt «keine einfachen Zeiten» gegeben habe. «Wir sind alle Gewinner», sagte der Kapitän trotzdem nach dem Bundesligafinale vor einer Woche. «Aber noch ist es nicht vorbei», fügte Neuer hinzu. In Berlin lockt das Comeback – und der «Pott».
(dpa)