Madrid – Der Schock-Rücktritt von Trainer Zinédine Zidane stellt Champions-League-Sieger Real Madrid vor einen Berg von Problemen. Wer soll bloß den charismatischen Erfolgscoach Zidane beerben?
Wird ein Weggang von Weltfußballer Cristiano Ronaldo jetzt noch wahrscheinlicher? Was wird aus 100-Millionen-Mann Gareth Bale? Nur wenige Tage nach dem dritten Königsklassen-Titel in Serie ist die Festtagsstimmung bei Real Madrid verflogen.
Der unerwartete Rücktritt Zidanes hat die Königlichen und ihren mächtigen Präsidenten Florentino Pérez geschockt. Statt entspannt in die Sommerpause zu gehen, steht einer der größten Bauunternehmer Europas nun vor tiefgreifenden Renovierungsarbeiten beim spanischen Rekordmeister. Die Madrider Sport-Zeitung «AS» schrieb am Freitag von einer «Makrokrise» und einem «Desaster», das Konkurrenzblatt «Marca» von einer «Tragödie» und «Beerdigungsstimmung in der Umkleidekabine». «Kaputt», titelte auf Seite eins – und nicht ohne Schadenfreude – die in Barcelona erscheinende Fachzeitung «Sport».
Die Mannschaft des deutschen Nationalspielers Toni Kroos steht vor einer Zäsur und einem Neuanfang. Der sichtlich mitgenommene Pérez beantwortete bei der kurzfristig angesetzten Pressekonferenz am Donnerstag Fragen zu einem Zidane-Nachfolger gar nicht erst. Musste er in den vergangenen Tagen noch die Debatte um die abwanderungswilligen Angreifer Ronaldo und Bale moderieren, so steht er nun vor einer kniffligen Aufgabe bei der Suche nach einem Trainer.
Gehandelt werden Liverpool-Coach Jürgen Klopp oder Bundestrainer Joachim Löw – eher unwahrscheinliche Varianten. Mauricio Pochettino, der in der Premier League Tottenham Hotspur in den vergangenen Jahren zu einem Spitzenteam geformt hat, soll ganz oben auf der Wunschliste von Pérez stehen. Den Argentinier soll Pérez seit langem beobachten.
Löw jedenfalls schloss ein Engagement aus. «Für mich ist das kein Thema, ich bin jetzt bei der WM», sagte er am Freitag im Trainingslager der Nationalmanschaft in Eppan und betonte: «Das kann ich jetzt völlig ausschließen.» Real werde «sicher einen guten Ersatz finden für Zinédine Zidane», betonte der Bundestrainer.
Geht es nach den Real-Fans, sollte der Ersatz Klopp heißen. Nach einer Umfrage von «AS» setzte sich der frühere Dortmund-Trainer mit 40 Prozent der Stimmen knapp vor dem Argentinier (35 Prozent) und deutlich vor Löw (15 Prozent) und Arsène Wenger (neun Prozent) durch. Aber auch Jugend-Trainer und Ex-Real-Profi Guti ist im Gespräch.
Wer auch immer das Erbe Zidanes antritt, steht vor dem vielleicht begehrtesten Job im Weltfußball – aber auch vor einem äußerst undankbaren. Denn dem «Mythos» Zidane («Marca») werden nicht nur die Titel und Trophäen zugeschrieben. Der Franzose hat es als Nachfolger von Rafa Benítez auch geschafft, die Egos der Einzelspieler zu einer funktionierenden Mannschaft zu formen. In zweieinhalb Jahren als Chefcoach gewann der Mann aus Marseille neun Titel, darunter als erster Trainer drei Mal in Serie die Champions League.
Zidane sei auch mit seiner eleganten, zurückhaltenden Art vor allem als Repräsentant, als Symbol des Clubs weltweit nicht zu ersetzen, heißt es im Umfeld Reals. Zwei Stunden lang habe Pérez versucht, Zidane umzustimmen, schrieb «Marca».
Zur ganzen königlichen Wahrheit gehört aber auch, dass Real die Saison in der Liga auf Platz drei mit 17 Punkten Rückstand auf den Dauerrivalen FC Barcelona beendete und das in die Jahre gekommene Team dringend eine personelle Frischzellenkur benötigt.
Medien in Madrid gehen davon aus, dass nach dem Adieu von Zidane auch mehrere Spieler ihren Abgang forcieren könnten. Dazu gehört Ronaldo, der schon nach dem Champions-League-Finale gegen den FC Liverpool seinen Abschied angedeutet hatte. Der 33 Jahre alte Portugiese soll mit Pérez seit Jahren im Clinch liegen und sich dafür mit Zidane sehr gut verstanden haben. Zu den Abwanderungs-Kandidaten gehören auch Torwart Keylor Navas, Stürmer Karim Benzema – und Sohn Luca Zidane.
(dpa)