Löw nach Taktik-Diskurs zur WM-Show nach Moskau

Moskau – Ein Auftakt-Hammer gegen Spanien? Oder gar ein frühes K.o.-Duell mit Brasilien? Joachim Löw können vor der WM-Auslosung in Sichtweite des Präsidentenbüros von Wladimir Putin auch bedrohlich wirkende Szenarien für das Unternehmen Titelverteidigung nicht beunruhigen.

Statt mit unliebsamen Konstellationen für den Fußball-Sommer 2018 beschäftigt sich der Bundestrainer vor dem Abflug zu seinem 40-Stunden-Kurztrip nach Russland bei einem Experten-Kongress des DFB in Frankfurt mit dem recht spröde klingenden Thema «Spielintelligenz: Wahrnehmen und Entscheiden».

Bei der feierlichen Zeremonie im Moskauer Kremlpalast ist das Losglück am Freitag (16.00 Uhr/MEZ) außerhalb von Löws Einflussmöglichkeit. Weltmeister Deutschland wird nicht nur seine eventuell unbequemen Gruppengegner, sondern auch den logistisch wahrscheinlich strapaziösen Turnierweg mit tausenden Flugkilometern bis zur angestrebten Finalteilnahme am 15. Juli 2018 im Moskauer Luschnikistadion erfahren.

«Wenn wir lamentieren und uns ständig beschweren, verlieren wir unheimlich viel Energie und Konzentration. Wichtig ist nur die Konzentration auf den Fußball. Alles andere muss man akzeptieren, wie es ist», lautet Löws so schon oft postulierter Grundsatz für das unglaublich ambitionierte Ziel, den WM-Titel erstmals in der deutschen Fußball-Historie erfolgreich zu verteidigen.

Die Devise des DFB-Chefcoaches hat auch für die Zuteilung der Gruppengegner Gültigkeit. Obwohl in Topf 1 der besten Teams gesetzt, ist ein einfacherer Turnierstart für die DFB-Elf nicht garantiert. In Topf 2 sind nicht nur die jungen, ambitionierten Engländer, sondern auch der wieder erstarkte Ex-Champion Spanien einsortiert. «Da müssen wir dann durch. Wenn wir gewinnen wollen, müssen wir uns eh mit allen messen, ob in der Gruppe oder später ist egal», sagte Toni Kroos.

Auch der derzeit wieder verletzte Mario Götze wollte das traditionelle deutsche Losglück, das diesmal eine Gruppe mit Peru, Iran und Panama oder Kroatien, Ägypten und Saudi-Arabien bescheren könnte, erst gar nicht beschwören. «Wir nehmen wie es kommt, wir können es nicht beeinflussen. Spanien wäre natürlich ein Brett in der Gruppe», sagte der Siegtor-Held von Rio.

Löw wird im Auditorium des Eventpalastes, wo die Sowjet-Führer Nikita Chruschtschow und Leonid Breschnew bei Parteitagen schier endlose Reden hielten, aufmerksam auch die anderen Gruppen im Blick haben. Die Turnier-Arithmetik bedingt, dass schon im Achtelfinale Brasilien, Argentinien oder die hochgelobten Franzosen warten könnten, wenn Deutschland oder einer der anderen Favoriten nicht Gruppensieger wird.

Sich zu lange mit Eventualitäten zu beschäftigen, ist allerdings nicht Löws Art. Gleich nach der Los-Show wird der Bundestrainer sein WM-Finetuning starten. «Es kommt dann immer der nächste Schritt. Wir kennen die Gegner, wir kenne die Spieltage. Dann können wir gezielt mit den Vorbereitungen beginnen», sagte Löw. Die exakten Daten für das Trainingslager in Südtirol im Mai können dann fixiert und die beiden Testspielgegner ausgewählt werden. In den Wochen unmittelbar vor Turnierbeginn, werden die «entscheidenden Grundlagen» für den Turnier-Erfolg gelegt, weiß Löw.

Top-Priorität hat auch die noch offene WM-Quartierwahl. Löw zieht es nach den guten Erfahrungen beim Confed-Cup-Sieg wieder nach Sotschi. «Jogi Löw mag das gute Wetter», sagte Teammanager Oliver Bierhoff. Die Sonne am Schwarzen Meer fände auch Kroos besser als die logistisch möglicherweise sinnvollere Base-Camp-Option vor den Toren Moskaus, wo Argentinier, Portugiesen und wohl auch Franzosen schon ein Hotel geblockt haben.

«Da es mir in Madrid mit Sonne gut gefällt, bin ich immer für die Sonne», sagte der Real-Star. Allerdings stimmen in dem Urlaubsort offenbar nicht alle Bedingungen vom Trainingsplatz bis zu Hotels für den riesigen DFB-Tross. «Die Anforderungen sind recht hoch, das ist nicht immer einfach», sagte Bierhoff.


(dpa)

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