Löw macht DFB-Team für EM-Saison fit

Hamburg – Joachim Löw legt los. Nach einer unfreiwilligen Zwangspause von fast einem halben Jahr kann der Bundestrainer die Fußball-Nationalmannschaft endlich in Hamburg wieder aktiv auf zwei ganz wichtige Länderspiele zum Start in die EM-Saison vorbereiten.

«Wir haben eine spannende und interessante Woche vor uns», sagte der 59 Jahre alte Chefcoach beim Treffpunkt in Hamburg.

Als «enorm wichtig», bewertete es DFB-Direktor Oliver Bierhoff, dass Löw in den anstehenden EM-Qualifikationsspielen gegen die Niederlande am Freitag (20.45 Uhr/RTL) im Volksparkstadion sowie drei Tage später in Belfast gegen den bislang in vier Partien jeweils siegreichen Tabellenführer Nordirland wieder dabei ist. «Wir haben ihn auf jeden Fall vermisst beim letzten Mal, auch wenn es erfolgreich war und Marcus Sorg die Sache super gemacht hat», sagte Bierhoff. «Man hat aber auch bei Jogi gemerkt, dass es ihm richtig weh getan hat und dass er sich jetzt auf die Spiele besonders freut.» Der Löw-Vertraute ergänzte: «Wir spielen zwei ganz wichtige Spiele, in denen wir in der Qualifikation neue Akzente setzen können.»

So sieht es auch Löw: «Wenn wir beide Spiele gewinnen, haben wir einen großen Schritt gemacht.» Am Vormittag findet im Stadion des Zweitligisten FC St. Pauli die erste Trainingseinheit für den Kader um Kapitän Manuel Neuer und den erstmals berufenen Freiburger Angreifer Luca Waldschmidt statt. «Ich freue mich, hier zu sein und dass es los geht hier für mich», sagte der 23-jährige Waldschmidt, der bei der U21-EM im Sommer mit sieben Treffern Torschützenkönig war. «Ich bin froh, dass ich jetzt hier alle kennenlernen kann.»

Löw verriet in Hamburg erstmals Details zu seinem Hantel-Unfall, der ihn zur Auszeit bei den gewonnenen Qualifikationsspielen im Juni gegen Weißrussland und Estland zwang. Das Brustbein war gebrochen. «Das war nicht das allergrößte Problem, sondern eine Arterie darunter war verletzt. Die war eingerissen», schilderte Löw. «Daher war es nicht so ungefährlich, aber das war relativ schnell wieder behoben.»

Bierhoff begrüßte unterdessen den Ablauf der Transferzeit pünktlich zu den anstehenden Länderspielen. Das sei wichtig «für die Köpfe» der Nationalspieler. «Es ist schon gut, Klarheit zu haben, wo die Spieler spielen», sagte der 51-Jährige: «Zumindest bis Weihnachten haben die Spieler jetzt mal eine klare Perspektive. Ich bin froh, dass die Zeit vorbei ist», erklärte der DFB-Direktor.

Löw spürt nach dem desaströsen WM-Aus vor einem Jahr eine Aufbruchstimmung in der DFB-Auswahl. «Die Jüngeren haben Lust, Verantwortung zu übernehmen. Sie sind talentiert, motiviert, lernwillig», sagte der 59-Jährige den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Zwar fehle seinem Team noch die Stabilität über einen langen Zeitraum. Aber er erkenne nach dem Abstieg aus der Nations League die erwünschten Fortschritte, sagte Löw.

In einem Interview des Portals «Sportbuzzer» hielt sich der Bundestrainer mit Zielsetzungen für die EM 2020 zurück. «Im Moment geht es erst mal darum, uns zu qualifizieren. Die letzten Spiele – wie der Sieg in Holland – haben schon gezeigt, dass wir auch die großen Mannschaften schlagen können», sagte er. «Aber ein Turnier ist schwer einzuschätzen und zu berechnen. Wir sind noch ein Jahr davor, haben gerade einen Neubeginn eingeleitet. In einem Turnier muss am Ende alles stimmen, wenn man ins Finale kommen will. Wir sind auf einem guten Weg und wollen zurück in die Weltspitze, wir haben Potenzial. Aber das müssen wir erst bestätigen.»

Nach den personellen Veränderungen, wie der «schmerzhaften Entscheidung», Mats Hummels, Thomas Müller und JeromeBoateng nicht mehr ins Nationalteam zu berufen, hat Löw schon klare Vorstellungen vom erweiterten Spielerkreis für die angestrebte EM 2020. «Es gibt ein Gerüst. Wir brauchen eine gewisse Kontinuität, denn die Mannschaft muss sich ja auch einspielen», erklärte der Bundestrainer im Interview der Funke-Mediengruppe.

Mit Blick auf das WM-Aus übte Löw Selbstkritik. Bei der 0:1-Auftaktpleite gegen Mexiko habe er «nicht so ein großes Risiko» gehen dürfen: «Das war fahrlässig, das kreide ich mir an.» Auch das Ballbesitzspiel habe nach vielen guten Jahren nicht mehr funktioniert: «Es gab kein schnelles Umschalten mehr. Wir waren zu langsam.»

Jetzt seien «Eins-gegen-eins-Spieler» wichtig geworden, betonte Löw. «Und wir haben Spieler, die das können.» Es sei nicht mehr wie früher möglich, mit defensivem Fußball Turniere zu gewinnen. «Wer Tore erzielt, gewinnt Turniere», sagte Löw.


(dpa)

(dpa)