«Kröte» in Saurer-Gurken-Zeit: Bundesliga vs Königsklasse

München – Karl-Heinz Rummenigge und Hans-Joachim Watzke sahen bei ihrem Marathon-Interview beim Thema Champions League ziemlich gequält aus.

Die Aussicht auf Fernsehabende, während Europas Beste in Liverpool, London, Amsterdam und Manchester in der Champions League zu den Viertelfinal-Hinspielen antreten, missfiel den Chefs von Bayern München und Borussia Dortmund offensichtlich. Die englische Demütigung in der Königsklasse mit dem kollektiven Achtelfinal-Aus wirkt noch nach und macht die Top-Funktionäre sensibel.

Im Kampf um den internationalen Anschluss wollen die deutschen Spitzenclubs dauerhaft auf keinen Fall eine Saure-Gurken-Zeit riskieren und stellen sich in der aufbrausenden Debatte um die umstrittene Reform der Königsklasse auch nicht hinter den Rest von Fußball-Deutschland. «Wir sind nicht pro. Es wird aber die eine oder andere Kröte geben, die man schlucken muss, um das Ganze zusammenzuhalten», sagte Bayern-Boss Rummenigge bei Sky.

Das Drohszenario von Europacup-Spielen am Wochenende, das die Reform wohl nötig machen würde, sorgt bei den Bayern und beim BVB offenbar nicht für die gleichen Schockmomente wie beim Rest der Liga. Watzke machte klar: «Ich liebe die Bundesliga. Aber man muss im Dialog mit anderen natürlich kompromissbereit sein. Du kannst dich gegen alles wenden und einsetzen, aber in letzter Konsequenz bist du dann nicht mehr mit dabei. Das kann auch nicht unser Interesse sein», sagte Dortmunds Geschäftsführer in der Sendung «Wontorra».

Mit dieser Anti-Blockade-Haltung der Großclubs droht der Bundesliga ein Konflikt, den eigentlich alle vermeiden wollen. Der Widerstand gegen die Pläne der mittlerweile enorm mächtigen European Club Association (ECA), die mit der UEFA derzeit in Verhandlungen um eine noch größere und noch besser zu vermarktende Champions League von 2024 an steht, sorgt für höchst ungewöhnliche Allianzen. DFL-Chef Christian Seifert und Amateur-Boss Rainer Koch, sonst bei den meisten Themen Lichtjahre voneinander entfernt, wetterten beide gegen das Projekt der Superreichen.

Seifert kündigte schon mehrfach juristische Schritte an, um die Bundesliga und ihre Kernzeit am Wochenende zu schützen. Gegen wen und vor welchem Gericht er überhaupt klagen will, sagte Seifert allerdings noch nicht. Koch sorgt sich explizit um den Dorffußball. «Sonntagnachmittag um 13.00 Uhr ein Champions-League-Spiel, damit in Asien die Spiele angeschaut werden können und dann niemand mehr zum Amateurfußball geht, das muss verhindert werden», sagte der DFB-Interimspräsident dem Bayerischen Fernsehen.

Seifert wünschte sich auch eine Boykott-Haltung der großen Teams. «Einfacher wäre es, wenn von den größten Clubs Europas einige aus den großen Ligen sagen, wir spielen da nicht mit, denn dann wird es nicht funktionieren», sagte er dem «Kicker». Rummenigge und Watzke hatten das gerade wenige Stunden zuvor quasi ausgeschlossen, gegen die Mehrheitsmeinung in der Liga. «Europacup-Spiele am Wochenende sind für mich ein Tabu. Die Wochenenden gehören den nationalen Ligen, und das muss auch so bleiben», sagte Gladbachs Sportdirektor Max Eberl.

Eine Wissenslücke gestand der große Reformkritiker Alexander Rosen, Sportdirektor von 1899 Hoffenheim, ein. «Es ist gut jetzt. Wir sind an der Grenze. Ich weiß nicht, was da für Mächte im Hintergrund wirken.»

Die Mächte, die die de facto zur Super League mutierte Champions League in einem Dreistufen-System wollen, kommen vornehmlich aus Italien, Spanien und Frankreich. Dort haben die nationalen Ligen nicht den Stellenwert wie in Deutschland, die Top-Clubs streben nach neuen Milliarden-Möglichkeiten und haben in der ECA und der UEFA großen Einfluss. Dass ausgerechnet jetzt Reinhard Grindel durch seinen DFB-Rücktritt in seinen internationalen Ämtern selbstverschuldet Einfluss verloren hat, macht die Ausgangslage der Bundesliga nicht einfacher.

Treibende Kräfte sind neben den Bossen von Real Madrid vor allem ECA-Chef Andrea Agnelli von Juventus Turin und Nasser al-Khelaifi von Paris Saint-Germain, die beide auch im UEFA-Exekutivkomitee sitzen. Agnelli, ein Spross der Fiat-Dynastie, macht aus seinen kapitalistisch orientierten Beweggründen keinen Hehl. «Wir sind diejenigen, die planen müssen, wir sind die, die investieren», beschrieb er seine Vorstellung vom Fußball-Business.

Über allem schwebt immer noch das Szenario, das Europas beste und reichste Teams in einer Super League ohne Absteiger spielen, nach den Regeln des US-Sports. Dann müssten sich Münchner und Borussen auf schmerzliche Weise entscheiden, wo ihre Heimat tatsächlich sein soll. Daher kommt auch das stete Streben nach Kompromissen.

Der Fanprotest formiert sich schon. «Die Pläne, die da kommen, haben nur noch etwas mit Geld und Fernsehen zu tun und sind nicht mehr für die Menschen im Stadion gemacht», sagte die Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Fanprojekte, Sophia Gerschel. «Die Vermarktung des Fußballs macht die Fanfreundlichkeit kaputt», findet auch Rainer Vollmer, ein Sprecher der Fangemeinschaft «Unsere Kurve».

Schon bald anbahnen dürfte sich ausgerechnet eine deutsch-englische Allianz. Die 20 Clubs der Premier League hatten sich vergangene Woche gemeinschaftlich gegen die Reform ausgesprochen, die den in England mit ähnlich konservativer Liebe wie in Deutschland gepflegten nationalen Gewohnheiten zuwider laufen würde. Fraglich ist allerdings, ob, wenn es ernst werden würde, auch die ECA-Mitglieder von Manchester City, Manchester United oder dem FC Arsenal dem Protest-Vorbild aus Everton, Brighton und Burnley folgen oder dem ökonomisch motivierten Mitläufer-Wesen aus München und Dortmund.

Aus dem Breisgau kommt derweil eine Stimme, die auf ihre eigene Art gegen überbordende Profitmaximierung argumentiert. Freiburgs Trainer Christian Streich hielt zu dem großen Wirbel schlicht fest: «Ich lasse mir den Fußball nicht nehmen. Oder die Freude daran, egal was sie machen.»


(dpa)

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