Frankfurt/Main – Sichtlich bewegt stand Niko Kovac mit der Pokal-Trophäe im Arm auf dem Balkon des Frankfurter Römer. Zum Abschied genoss der Eintracht-Trainer beim tosenden Jubel-Empfang erstmals die Gänsehaut-Atmosphäre, die er in München künftig regelmäßig erleben will.
Mit dem Pokal-Coup gegen die Bayern gelang dem 46 Jahre alten Fußball-Lehrer ein Meisterstück, das ihm in Frankfurt doch noch die erhoffte Anerkennung einbrachte und in München den Einstieg beim Starensemble von der Isar erheblich erleichtert. «Natürlich wird ihn der Sieg hier ein Stück weit stärken», sagte Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge.
Eine hohe Niederlage im Pokal-Endspiel hätte Kovac schon vor seinem ersten Arbeitstag beim Branchenprimus gewaltig unter Druck gesetzt. Nun kommt er als strahlender Triumphator. «Ich habe keine Sorge, dass er hier keinen Erfolg haben wird. Ganz im Gegenteil, er wird großen Erfolg haben», betonte Rummenigge.
In Frankfurt, wo Kovac nach seiner Wechselverkündung Mitte April in Ungnade gefallen war, verschaffte sich der Kroate mit dem 3:1-Sensationssieg im Finale einen würdigen Abgang. Schon im Berliner Olympiastadion wurde der frühere Bundesligaprofi direkt nach dem Abpfiff von den Eintracht-Fans gefeiert, was ihm Tränen der Rührung in die Augen trieb.
«Ich bin ein emotionaler Mensch, der seine Gefühle zeigt und zu ihnen steht», sagte Kovac. «Es waren Tränen der Erleichterung, dass wir unseren Weg erfolgreich zu Ende geführt haben. Wir haben uns kontinuierlich gesteigert von einem Fast-Absteiger zu einem Finalisten und in diesem Jahr zum Sieger. Das ist eine großartige Leistung, die ich von niemandem schlecht reden lasse.»
Kovac hat es in Frankfurt verstanden, aus einer Multi-Kulti-Truppe eine verschworene Gemeinschaft zu formen, die ihm Endspiel über sich hinauswuchs. «Riesen Respekt für ihn, er hat hier eine überragende Arbeit geleistet», lobte Mittelfeldantreiber Kevin-Prince Boateng den scheidenden Trainer. «Er hat uns positiv genervt.»
Das will Kovac auch in München unter ganz anderen Voraussetzungen weiter tun und seinen steilen Karriereweg fortsetzen. «Ich bin einer der fordert, aber auch fördert. Ich will hoch hinaus und deshalb von mir immer hundert Prozent sehen. Das möchte ich aber auch von den Spielern», sagte Kovac.
Der tägliche und sicher nicht immer einfache Umgang mit Stars wie Robben, Ribéry oder Lewandowski wird für ihn eine völlig neue Erfahrung. Dabei darf er sich zum Start der Rückendeckung der Bayern-Bosse gewiss sein. «Wir haben Niko Kovac ausgesucht, weil er genau diese soziale Kompetenz, dieses Familiäre, diese Menschlichkeit auch hat. Das war uns wichtiger, als wenn uns einer erklären konnte, was eine flache Neun oder eine Raute ist», begründete Präsident Uli Hoeneß die Verpflichtung des ehemaligen Bayern-Profis.
Die Erfahrungen aus seiner aktiven Zeit in München, wo er 2003 das Double gewann, sollen Kovac bei der schweren Aufgabe helfen. «Wir sind von ihm total überzeugt, er wird es hier sehr gut machen. Er ist ein Mann, der Bayern München kennt, der die DNA von Bayern München hat, weil er schon als Spieler hier gearbeitet hat», betonte Rummenigge.
Die Erwartungen beim Rekordmeister sind ungleich höher als in Frankfurt, wo der erste Pokalsieg seit 30 Jahren eine ganze Stadt in den Ausnahmezustand versetzte. In München sind Triumphe normal, der Erfolg des Trainers ermisst sich lediglich an deren Anzahl und Bedeutung.
Arjen Robben setzte Kovac bei der Meisterfeier auf dem Rathaus-Balkon schon einmal unter Druck. «Nächstes Jahr, das versprechen wir euch, stehen wir hier mit mehr als einem Titel», rief der Niederländer. Und Hoeneß forderte, man müsse die Mannschaft dazu bringen, «besser zu spielen».
Immerhin durfte Kovac dank des Pokal-Triumphes mit der Eintracht schon mal das Feiern üben. An die Zukunft in München dachte er beim überwältigenden Empfang am Main noch nicht. «Für mich ist wichtig, diesen Titel mit diesem tollen Verein geholt zu haben. Ich bin froh, glücklich und stolz», beschrieb er seine Gefühle.
Ein Wiedersehen mit den Hessen gibt es für Kovac schon in seinem ersten Pflichtspiel als Bayern-Trainer, wenn es Anfang August in Frankfurt um den Supercup geht. Vor der Rückkehr an seine dann alte Wirkungsstätte muss ihm nun nicht mehr bange sein. «Der Fußball schreibt die schönsten Geschichten», sagte Kovac zum Abschied. «Wir sind alle verdammt glücklich, dass wir nach 30 Jahren unsere SGE endlich mal wieder mit dem Pokal beschenken konnten.» Das bleibt für immer.
(dpa)