Mönchengladbach (dpa) – Fast schien es in dieser Woche so, als sei der Kampf um den Champions-League-Einzug schon entschieden.
Nachdem Borussia Mönchengladbach am 33. Spieltag wieder an Bayer Leverkusen vorbei auf Platz vier der Fußball-Bundesliga zog und nun beste Aussichten auf die Königsklasse-Millionen hat, kamen Gerüchte auf. Die Borussia werde nun auf «Shopping-Tour» gehe, hieß es. Europaweit streuten Berater, Gladbach sei an ihren Klienten interessiert.
Jonathan David (KAA Gent, Marktwert 22,5 Millionen Euro), Krepin Diatta (FC Brügge, 19 Millionen), Marko Grujic (Hertha BSC, 14,5 Millionen), Hannes Wolf (Leipzig, elf Millionen), Florent Mollet (Montpellier, sieben Millionen) und Linton Maina (Hannover, sechs Millionen) – sie alle sollten nun kommen, hieß es. Zumindest in dieser Summe dürfte das kaum geschehen.
Noch nicht verbuchtes Geld mit vollen Händen auszugeben, passt nicht zum langjährigen Arbeiten der Geschäftsführer Max Eberl (Sport) und Stephan Schippers (Finanzen). «Ob dann irgendwann auch noch höhere Transfersummen gezahlt werden – bei allem Respekt, das ist gerade eine Thematik, die mich nicht so sehr interessiert», blaffte Eberl entsprechend deutlich, als er vor dem wichtigsten Spiel der jüngeren Vergangenheit seiner Borussia am Samstag gegen Hertha BSC (15.30 Uhr/Sky) nach Transfers in Corona-Zeiten gefragt wurde.
Gegen die Berliner hat der Tabellenvierte (62 Punkte) die große Chance, nach 2015 und 2016 zum dritten Mal in die Champions League einzuziehen. Bayer Leverkusen, das zeitgleich gegen Mainz spielt, hat als Fünfter zwei Punkte und neun Tore Rückstand. Nach menschlichem Ermessen genügt Gladbach somit ein Punkt. «Der Optimismus ist groß», sagte Trainer Marco Rose. «Ich traue meiner Mannschaft alles zu.»
Platz drei oder vier – der Dritte Leipzig (63 Punkte) muss beim FC Augsburg ran – würden Rose und der Borussia in corona-bedingt unsicheren Zeiten mehr als anderen, teils fremdfinanzierten, Spitzenclubs helfen. «Es fördert alles. Nicht nur die Spieler sondern auch den Verein in seiner ganzen Wahrnehmung», sagte Eberl. «Wenn wir das ganz große Ziel erreichen würden, dann würde uns das nicht nur sportlich gut tun. Sondern wir hätten dann auch als Verein ganz andere Möglichkeiten, über diese Krise hinweg zu kommen.»
Die corona-bedingten schweren Einbußen der Borussia wären auf einen Schlag weg. Mehr noch. Der Abstand auf die Clubs hinter der Borussia würde strukturell wachsen. Das Minus aufgrund der Corona-Pandemie soll bei der Borussia rund 13 Millionen Euro betragen. Allein mit der Antrittsprämie der Champions League (15,25 Millionen Euro) wäre dies kompensiert. Für die Europa-League-Teilnahme gibt es dagegen nur 2,92 Millionen Euro. Da dazu weitere, ungleich höhere Gelder als in der Europa League in Höhe von mindestens 15 Millionen (Punktprämie, Marktpool, Koeffizienten-Rangliste) kommen, könnte Gladbach weiter in den Kader und die Struktur investieren.
Sportlichen Verlust soll es laut Eberl selbst dann nicht geben, wenn es wieder nur für die Europa League reicht. Mit den Millionen der Champions League hätte der ehrgeizige Rose gar die Möglichkeit, den Kader nach seinen Vorstellungen weiter zu verbessern. Denn nur um die Europa League zu spielen, dürfte dem 43-Jährigen nach zwei Meisterschaften und dem Double in Österreich zu wenig sein.
Leverkusen als Tochter des Bayer-Konzerns hingegen dürfte ob der von Haus aus vorhandenen finanzielle Mittel auch ohne Champions League weiter zu den Top-Teams zählen. Spekuliert wird indes, ob Top-Talent Kai Havertz sein letztes Bundesligaspiel für Bayer gegen Mainz macht, sollte es «nur» in die Europa League gehen. Bayer hofft, für den europaweit begehrten 21-Jährigen 100 Millionen Euro einzunehmen. Ein konkretes Angebot soll es aber noch nicht geben. Zur Not bliebe die Chance, mit dem Europa-League-Gewinn noch die Königsklasse zu erreichen. «Wenn es in der Bundesliga nicht klappt, dann vielleicht über die Europa League», sagte Coach Peter Bosz.
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(dpa)