Köln (dpa) – Der Kölner Trainer Markus Gisdol wirkte zwischenzeitlich den Tränen nahe.
Das 1:1 (1:0) gegen Eintracht Frankfurt war eher ein langweiliges Spiel gewesen, doch weil es die letzten theoretischen Zweifel am Klassenerhalt des 1. FC Köln beseitigte, kam in ihm die komplette Gefühlspalette eines unfassbar bewegten halben Jahres hoch. Die Skepsis und Ablehnung der Fans zu Beginn, die Euphorie des ungeahnten Höhenflugs, die Unsicherheit der Corona-Pause und der Frust der nun schon neun sieglosen Geisterspiele.
«Diese Wochen waren sehr bewegend und haben auch mich viel Kraft gekostet», sagte der 50-Jährige. Und dann schweifte der sonst so druckreif redende Coach immer wieder ab. Unterbrach Sätze, wechselte Themen und Gedanken. Irgendwo zwischen Stolz und verletztem Stolz, Genugtuung, Erleichterung und Enttäuschung war es manchmal ungewohnt schwer, ihm zu folgen.
Sein Versprechen vom November löste er nach eigener Aussage aber sofort ein. «Ich hab‘ gesagt, ich geh in die Eistonne, wenn wir den Klassenerhalt machen. Das hab‘ ich mir am ersten Tag vorgenommen, als ich hier ins Stadion reinlief», berichtete Gisdol: «Und das hab‘ ich gemacht.»
Gisdol hatte bewegte Zeiten beim Hamburger SV erlebt, die TSG Hoffenheim mit Assistent Julian Nagelsmann am letzten Spieltag in die Relegation gehievt und dort die Klasse gehalten, doch ein solch emotionales Auf und Ab hat auch er noch nicht erlebt. Der Klassenerhalt mit Köln habe deshalb «einen unglaublich hohen Stellenwert», sagte er: «Weil ich hier mit etwas Skepsis empfangen wurde.» Am Samstag schien all das wieder in ihm abzulaufen.
«Mitte Dezember war hier eigentlich alles erledigt», sagte Gisdol, der nach der Übernahme vom glücklosen Achim Beierlorzer zunächst nicht die Kurve zu kriegen schien und mit dem FC Mitte Dezember Letzter war. «Dann haben wir alles auf Null gestellt», sagte er. In den elf Spielen zwischen dem 15. und 25. Spieltag trat Köln auf wie ein Champions-League-Anwärter, nur der FC Bayern und Dortmund holten in diesem Zeitraum mehr Punkte.
«Und dann», so Gisdol kopfschüttelnd, «kommt so ein Corona». Die Pause, versicherte der Schwabe, «hat uns mehr gekostet als jede andere Mannschaft in der Liga. Weil wir einen sehr engen Teamgeist entwickelt hatten, um uns aus der Situation zu befreien. Und dann kommt Corona und zerlegt dir das Team. Du kannst dir nicht mehr gegenübersitzen, du kannst niemanden mehr anfassen.» Irgendwann während der Corona-Phase «wusste man gar nicht mehr, was dieser unsichtbare Gegner mit einem macht», so Gisdol.
Auch wenn all die Rückschläge noch einmal in ihm hochkamen, war Gisdol am Samstag doch «superhappy». Und richtete dann noch einen Appell an die Journalisten. Der FC habe «viele gute Jungs», sagte Gisdol: «Kritisiert sie nicht immer so hart. Seid nicht so hart mit ihnen.» Und ein bisschen meinte Gisdol dabei wohl auch den Umgang mit ihm selbst.
(dpa)