Los Angeles – Am Ende seines sensationellen Sportjahres 2018 steckt Marco Sturm in einem schwierigen Neuanfang. Schnell hat sich der 40-Jährige gedanklich von seinen einstigen Aufgaben als Eishockey-Bundestrainer entfernt, seit er vor sechs Wochen Assistenzcoach in der NHL wurde.
Der Hauptdarsteller des Silber-Coups von Pyeongchang muss sich neu etablieren. «Ich genieße jeden Tag, auch wenn es nicht einfach ist», sagte Sturm.
Nicht einfach ist die sportliche Krise, in der er zu den Los Angeles Kings gestoßen ist und in der sich das Team noch immer befindet. Seine ersten Erfahrungen als Assistenzcoach in der NHL macht der Dingolfinger beim schwächsten Ensemble der Liga. Die Spielzeit mit den Kings, dem Stanley-Cup-Sieger von 2012 und 2014, dürfte im Frühjahr ohne Playoffs zu Ende gehen. «Für mich ist es überragend, ich lerne jeden Tag neu dazu», sagte Sturm dennoch.
Außer der Nationalmannschaft hat der deutsche NHL-Rekordspieler noch kein Team trainiert. Das Erreichen des Olympia-Endspiels im Februar verschaffte ihm die Chance in der stärksten Liga der Welt, mit der er immer geliebäugelt hatte. Nun verantwortet er das Überzahlspiel und das Training der Verteidiger. Ursprünglich war der frühere Angreifer, der einst für die Kings spielte, für die Offensive geholt worden.
Ziemlich plötzlich zog Sturm Mitte November für das Angebot aus Landshut weg. Gerade rechtzeitig vor Weihnachten hat er sein Hotel in Kalifornien verlassen, sein neues Haus bezogen und seine Frau mit den beiden Kindern in Empfang genommen. Er geht davon aus, «langfristig» eine Perspektive bei den Kings zu haben. Sein Chef Willie Desjardins, Kanadas Coach beim 4:3 der Deutschen im Olympia-Halbfinale, arbeitet offiziell allerdings als Interimstrainer. Nicht auszuschließen, dass im Sommer das Trainerteam wieder ausgetauscht wird.
«Das ist das Geschäft, es kann schnell in die andere Richtung gehen. Ich mache mir momentan über das Thema keine Gedanken», sagte Sturm. Er schiebt den Gedanken, seinen Job bald los sein zu können, ebenso beiseite wie eine mögliche Chance als Cheftrainer. «Wenn man sieht, wie ich arbeite, müssen andere entscheiden, wie es weitergeht.»
Beim Deutschen Eishockey-Bund (DEB) geht es offiziell ab dem 1. Januar mit Toni Söderholm weiter. Der knifflige Umbruch ist Sturms Nachfolger überlassen. Der ebenfalls 40-jährige Finne soll nun die erneute Teilnahme an den Winterspielen garantieren und bei der WM im Mai die direkte Qualifikation für Olympia 2022 schaffen. «Nach dem Ausscheiden von Marco Sturm steht wieder ein kleines Fragezeichen hinter dem deutschen Eishockey», sagte der frühere NHL-Verteidiger Christian Ehrhoff schon vor Söderholms Unterschrift.
Die Verpflichtung des bisherigen Drittliga-Coaches des SC Riessersee hält Sturm für eine «mutige» Entscheidung. «Ich sage mutig, weil er noch wenig Erfahrung im Trainerbereich hat», erklärte der Bayer, der selbst gar keine Trainer-Expertise vor seinem DEB-Engagement hatte.
«Das wird eine nicht so leichte Aufgabe, dass er innerhalb von Wochen eine Truppe zusammenstellen muss, die er teilweise gar nicht kennt und dann auch noch eine gute WM spielen soll», sagte Sturm mit Blick auf die wegen des Ligabetriebs knappe WM-Vorbereitung. «Wenn er den Weg so geht wie ich, das heißt, sich auch die richtigen Leute holt, dann ist das, denke ich, kein Problem.»
Theoretisch wäre es möglich, dass Sturm während der WM helfen kann. Ob das für ihn denkbar wäre? «Nee, auf alle Fälle nicht. Es kam auch nichts vom Verband. Der Fokus liegt ganz auf den LA Kings.»
(dpa)