Kniefall für die Ewigkeit: Kaepernick «immer noch bereit»

New York – Im Louis Armstrong Stadium von New York hatte Colin Kaepernick in der vergangenen Woche einen seiner seltenen Auftritte in der Öffentlichkeit. Um American Football ging es für den ehemaligen Quarterback der San Francisco 49ers dabei aber nicht.

Kaepernick verfolgte in einer Box zusammen mit NBA-Legende Kobe Bryant einen Auftritt der inzwischen ausgeschiedenen Titelverteidigerin Naomi Osaka aus Japan bei den US Open der Tennis-Profis. Vor dem NFL-Start zwischen den Chicago Bears und den Green Bay Packers in der Nacht auf Freitag ist einer der polarisierendsten US-Sportler weiter außen vor.

«All die Versprechungen, die bei der Gründung dieses Landes gemacht wurden, sind fantastisch. Für viele Menschen wurden diese Ziele aber noch nicht erreicht», sagte der meinungsstarke Nationalcoach der US-Basketballer, Gregg Popovich, zuletzt. Ungleichheiten anzuprangern, mache niemanden zu einem Vaterlandsverräter. Kaepernick habe seiner Einschätzung nach damals «sehr patriotisch» gehandelt.

Damals, das war 2016. Bei einem Vorbereitungsspiel seiner 49ers im August blieb Kaepernick während des Abspielens der Nationalhymne sitzen. «Ich werde nicht für die Flagge eines Landes aufstehen und Stolz zeigen, in dem Schwarze und weitere Andersfarbige unterdrückt werden», sagte er danach über seinen stillen Protest gegen Polizeigewalt und Rassismus.

Später ging Kaepernick von seinem Bankplatz zum Kniefall an der Seitenlinie über, was eine Ikone für die Ewigkeit sein dürfte. Sein Teamkollege Eric Reid schloss sich ihm an. «Wir haben uns dazu entschlossen, weil es eine respektvolle Geste ist», sagte der Safety angesichts der späteren Anfeindungen. Sie hätten sich die Pose in einer Reihe mit einer Flagge auf halbmast vorgestellt, um eine «Tragödie zu kennzeichnen», fügte Reid hinzu.

Weitere NFL-Profis, aber zum Beispiel auch US-Fußballerin Megan Rapinoe, schlossen sich Kaepernicks Protest an. Eine hitzige und unversöhnlich wirkende Debatte über Vaterlandsliebe und den passenden Rahmen für solch einen Widerstand entbrannte. «Würdet ihr es nicht liebend gerne sehen, dass ein NFL-Teambesitzer sagen würde, wenn jemand die Flagge nicht respektiert: ‚Nehmt den Hurensohn jetzt vom Feld. Weg! Er ist gefeuert‘?», polterte US-Präsident Donald Trump.

Kaepernick, der San Francisco 2013 noch ins Endspiel geführt hatte, verlängerte Anfang 2017 seinen Vertrag bei den 49ers nicht mehr. Seitdem hat der Sohn einer weißen Mutter und eines schwarzen Vaters, der später von einem weißen Paar adoptiert wurde, kein neues Team mehr gefunden. Trotz seiner Qualitäten für einen der raren Spielmacherposten.

Die Besitzer der 32 Teams sind in dem Milliardenbusiness an Profit interessiert, Polarisierung ist geschäftsschädigend. Im Oktober 2017 reichte Kaepernick Klage gegen die Liga ein, wonach ihm die NFL wegen einer internen Absprache keine Beschäftigung mehr gewähre. Reid schloss sich seinem früheren Teamkollegen mit der Klage an, im Februar dieses Jahres einigten sich die Parteien außergerichtlich.

Kaepernick wurde – und wird noch – für seinen stillen Protest geschätzt und verachtet. Das hängt vom jeweiligen Lager ab, dem man sich zugehörig fühlt. «Glaube an etwas. Auch wenn das bedeutet, dass du alles opferst», lautete der Werbespruch einer Kampagne von Nike, die der Sportartikelriese mit dem heute 31-Jährigen als neues Gesicht kurz vor dem Start der vergangenen Spielzeit lanciert hatte.

«Ich suche nicht nach Bestätigung, ich muss mich für Menschen einsetzen, die unterdrückt werden», sagte Kaepernick und investiert seine Zeit unter anderem in die von ihm selbst gegründete Bildungsinitiative «Know your Rights».

Auf ein NFL-Comeback hofft er weiter. «5 Uhr morgens. 5 Tage die Woche. 3 Jahre lang. Immer noch bereit», betitelte er ein Video vor wenigen Wochen, das ihn beim Training zeigte. Zuletzt wurde Kaepernick bei den Indianapolis Colts als möglicher Quarterback gehandelt. Die Frage bleibt weiter unbeantwortet, ob sich die NFL mit Kaepernick aussöhnen kann.


(dpa)

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