Magdeburg – Die vollmundig angekündigte Attacke auf den Handball-Thron wollte Alfred Gislason trotz der zweiten Saison-Pleite noch nicht abblasen.
Doch erste Zweifel an der Titelfähigkeit seiner Mannschaft dürften den Trainer des Rekordmeisters THW Kiel bei der deftigen 30:35-Niederlage in Magdeburg schon beschlichen haben. «Wir waren nicht gut genug, um das Spiel zu gewinnen», stellte Gislason ernüchtert fest.
Eigentlich sollte nach drei mageren Jahren ohne Meistertitel in dieser Saison – der letzten unter dem isländischen Erfolgscoach – alles besser werden. Stattdessen droht der THW nach den nicht bestandenen Auswärtsaufgaben beim Titelverteidiger SG Flensburg-
Handewitt und dem ebenfalls noch ungeschlagenen SC Magdeburg (beide 10:0 Punkte) frühzeitig die starke Konkurrenz, zu der auch Pokalsieger Rhein-Neckar Löwen (8:0) gehört, aus den Augen zu verlieren.
4:4 Punkte, Rang acht – den Saisonstart hatte sich der 20-malige Champion ganz anders vorgestellt. Agierten die Kieler beim knappen 25:26 in Flensburg noch auf Augenhöhe, waren sie in Magdeburg chancenlos. «Die Art und Weise, wie wir hier verloren haben, tut richtig weh», sagte Nationalspieler Hendrik Pekeler den «Kieler Nachrichten».
Die 60 Minuten waren der Beleg, dass es beim Titel-Topfavoriten noch nicht passt. Als die Hausherren nach der Pause davonzogen, zerfiel der THW in seine Einzelteile. Niemand ging voran und pushte die Mannschaft in dieser schwierigen Phase, in der der Rückstand bis auf acht Tore wuchs. «In der zweiten Halbzeit war jeder von uns nur mit sich selbst beschäftigt», räumte der im Sommer von den Rhein-Neckar Löwen gekommene Kreisläufer Pekeler selbstkritisch ein.
Auch die Torhüter Niklas Landin und Andreas Wolff konnten ihren Vorderleuten nicht den nötigen Halt geben. «Beide waren angeschlagen», entschuldigte Gislason sein Weltklasse-Duo. Landin wurde durch einen im Flensburg-Spiel erlittenen Bänderriss im Sprunggelenk gehandicapt, der zunächst mit einer Schutzbrille spielende Wolff durch eine im Training erlittene Einblutung im Auge.
Dem dynamischen Tempospiel der Magdeburger, die mit fünf Siegen den besten Saisonstart seit der Saison 2003/04 hingelegt haben, waren die Kieler nicht gewachsen. «Ich bin sehr stolz auf das Team. Wir hätten sogar noch höher gewinnen können», stellte SCM-Trainer Bennet Wiegert fest. «Wir sollten diese Welle weiter reiten und die Euphorie mitnehmen.»
Gislason ist dagegen schon als Psychologe gefordert. «Wir haben jetzt mit Flensburg und Magdeburg die vielleicht schwersten Auswärtsspiele der Saison hinter uns. Es ist mehr als schade, dass wir in beiden Spielen leer ausgegangen sind», sagte der 59-Jährige. «Aber wir werden weiter hart an uns arbeiten und nach und nach die Dinge korrigieren.» Weitere Rückschläge darf sich der THW kaum erlauben.
(dpa)