«Keine Lust mehr zu lernen»: Genervter Zverev will mehr

London – Alexander Zverev hat genug von den ständigen Lobeshymnen.

«Wir reden ja immer davon, dass ich aus jedem Match, das ich verliere, lerne. Das sage ich mir schon seit drei Jahren. Irgendwann habe ich keine Lust mehr zu lernen», sagte der Rohdiamant des deutschen Herren-Tennis nach seinem frustrierenden Wimbledon-Aus im Achtelfinale. «Ich möchte solche Matches endlich gewinnen.»

Als ein englischer Journalist in der Pressekonferenz nach seiner Fünfsatz-Niederlage gegen den Vorjahresfinalisten Milos Raonic die Frage stellte, ob er nicht das Gefühl habe, dass er dieses Match hätte gewinnen müssen, sagte Zverev nur ein Wort: «Ja.»

Natürlich freute sich der 20 Jahre alte Hamburger über seine erste Achtelfinal-Teilnahme bei einem Grand-Slam-Turnier. Auch auf dem bedeutendsten aller Spielplätze seiner Sportart hat er eine Woche lang demonstriert, warum so viele Experten in ihm eine künftige Nummer eins und einen baldigen Grand-Slam-Champion sehen.

Ob Boris Becker, John McEnroe oder seine aktuellen Konkurrenten von Roger Federer bis Novak Djokovic – kaum einer, der Zverev nicht eine ganz große Zukunft prophezeit. Doch für die frühere Nummer eins der Junioren-Weltrangliste kann diese Zukunft jetzt endlich auch einmal beginnen. Er will nicht mehr hören, dass solche Niederlagen wie gegen Raonic zum Lernprozess gehören und er noch Erfahrung sammeln müsse.

Der gerade dem Teenageralter entwachsene 1,98-Mann mag sich mit dem Erreichten und dem Staus quo als Nummer zwölf der Weltrangliste nicht mehr so recht zufrieden geben. Vor einigen Wochen überraschte er beim Rasenturnier in Halle mit der Aussage, er wolle sich in diesem Jahr für die ATP-WM der besten acht Spieler der Saison qualifizieren.

In dieser Wertung liegt er aktuell auf Platz fünf – nur Rafael Nadal, der spektakulär in fünf Sätzen mit 3:6, 4:6, 6:3, 6:4, 13:15 am Luxemburger Gilles Muller scheiterte, Federer, Dominic Thiem und Stan Wawrinka liegen vor ihm.

Dabei war Zverev von der Spielerorganisation ATP eigentlich als Zugpferd einer ganz anderen Veranstaltung vorgesehen. Um neue Gesichter für die Zeit nach Federer, Nadal, Djokovic und Murray zu pushen, hat sie eine Art Mini-WM für alle Profis bis 21 Jahre im November in Mailand ins Leben gerufen. Doch allein der Blick auf das sogenannte Race to Milan offenbart, dass Zverev in der Riege der Youngster schon jetzt in seiner eigenen Welt Tennis spielt.

Mit 2530 Punkten liegt er dort an der Spitze. Es folgen der Russe Karen Chatschanow (695), der Kroate Borna Coric (676), der Russe Daniel Medwedew (562) und Hyeon Chung aus Südkorea (505). Doch Zverevs Name wird längst nicht mehr im Zusammenhang der jungen Wilden genannt. Er knallt zwar auch noch immer den Schläger auf den Boden, um seine Wut zu kanalisieren. Aber er spielt reifer, variabler, kreativer und, nun ja, erwachsener als seine Altersgenossen.

Die ersten drei Wimbledon-Runden überstand er ohne Satzverlust. Daher will er sich auch nicht allzu lange mit der Frustbewältigung quälen. In der kommenden Woche beginnt Zverev in Florida mit dem Training auf Hartplatz, um sich auf die Nordamerika-Tour mit den US Open als Höhepunkt vorzubereiten. Für seine Ziele hat Zverev auch einen Zoff mit seinem früheren Mentor Michael Stich in Kauf genommen.

Das Turnier am Hamburger Rothenbaum passt nämlich überhaupt nicht in Zverevs Masterplan. Statt auf der langsamen Asche in seiner Heimatstadt aufzuschlagen, zieht er die Hartplatz-Veranstaltung in Washington vor. «Die Saison ist ja noch lang», sagte Zverev und ließ nach seinem Wimbledon-Aus keine Zweifel daran, dass er den finalen Härtetest im November in London mit Federer & Co. herbeisehnt.

«Ich hoffe, dass ich die großen Turniere gut spielen kann, so dass ich ins Masters kommen kann, das ist mein Ziel», sagte Zverev. Im Viertelfinale von Wimbledon spielt jetzt allerdings erst einmal Raonic gegen den siebenmaligen Champion aus der Schweiz.


(dpa)

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