Jagd auf Hamilton: «Monster oder Müll» für Vettel?

München – Schafft es Sebastian Vettel diesmal? Nach drei Jahren Formel-1-Aufbauarbeit mit der chronisch ungeduldigen Scuderia will der Heppenheimer endlich auf den WM-Thron zurückkehren.

Skepsis begleitet den Ferrari-Star nach den Testeindrücken allerdings ins Gigantenduell mit Titelverteidiger Lewis Hamilton. Am Ende der 245 Tage langen PS-Hatz um den Globus könnten sich Vettel oder der englische Mercedes-Pilot zum fünften Mal zum Champion krönen und mit Legende Juan Manuel Fangio gleichziehen. Oder vermiest ihnen Red Bull mit Max Verstappen und Daniel Ricciardo die Tour?

«Ich muss das Auto noch besser verstehen, es gibt noch Rätsel zu lösen», sagte Vettel vor dem Auftakt am 25. März in Melbourne. Der Aufschwung in der vergangenen Saison ließ den Hessen einen Sommer lang vom Premierentitel mit den Italienern träumen, ehe ihm in der zweiten Saisonhälfte eigene Fehler und technische Defekte im Kampf mit Hamilton alle Chancen raubten. «Es ist kein Geheimnis, dass Mercedes der Favorit ist. Sie sehen stark aus, egal wann.»

Die Geduld von Ferrari-Patron Sergio Marchionne ist jedoch so ziemlich aufgebraucht. Der italienisch-kanadische Manager will sich in seinem letzten Jahr als Boss von Fiat-Chrysler triumphal verabschieden. Die Renaissance der Roten soll Vettel wie einst Rekordchampion Michael Schumacher mit dem Titel veredeln.

«Entweder haben sie ein Monster oder Müll gebaut», meinte Marchionne in Richtung seiner Ingenieure und Teamchef Maurizio Arrivabene brüsk vor der Vorstellung des neuen SF71H. In einer Saison ohne gravierende Regeländerungen, aber mit sichtbaren Innovationen wie dem Cockpitschutz Halo, wird er nicht lange stillhalten. Marchionne verlangt den großen Wurf – sonst gibt es Konsequenzen.

«Wir haben 2017 einen unglaublichen Schritt nach vorn gemacht. Wir waren dann zwar nicht nah genug dran, als es darauf ankam, daraus haben wir aber unsere Schlüsse gezogen», berichtete Vettel, der sich mit dem Formel-1-Tross nach einem Jahr Absenz am 22. Juli auch wieder den heimischen Fans auf dem Hockenheimring präsentieren wird. Dann sind erstmals seit 1996 in ihm und Nico Hülkenberg (Renault) aber nur noch zwei deutsche Fahrer dabei. «Wir brennen alle», sagte Vettel.

Für Branchenprimus Mercedes gilt das genauso. Seit der Umstellung von Saugmotoren auf Turboantriebe zur Saison 2014 sind die Silberpfeile das Nonplusultra und haben 63 von 79 Rennen gewonnen. Auch nicht von der Reform 2017 mit breiteren und schnelleren Autos ließen sie sich aus der Spur bringen. Während der teils sogar von Schnee getrübten acht Testtage in Barcelona spulten die Silberpfeile mehr als 1000 Runden ab – so viele wie kein anderes Team. Abnutzung? Gibt es offensichtlich nicht. Das gilt auch für Hamilton.

«Ich habe bei ihm das Gefühl, dass er spürt, dass die sieben Titel von Michael in Reichweite sind», meinte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff über seinen Star-Piloten. Für Hamilton selbst ist diese Rekordmarke zu weit weg. Zu Fangio aufzuschließen, das fände er jedoch «schon cool». Der Engländer verspürt aber in erster Linie die pure Lust am Fahren. «Ich kann das erste Rennen gar nicht abwarten. Wir wollen, dass es die Leute von den Sitzen haut.»

Für Spannung an der Spitze dürften nicht nur Mercedes und Ferrari sorgen, sondern auch Red Bull. In den vergangenen Jahren wies Vettels früheres Team zum Saisonstart stets Rückstand auf. Nun läuft der RB14 schon rund. «Wir stehen viel besser da als vor einem Jahr», stellte Max Verstappen fest, der 2017 immerhin zwei Siege feierte.

In die Entwicklung des neuen Wagens hat Design-Guru Adrian Newey wieder stärker eingegriffen. Zuletzt gönnte sich der Aerodynamik-Künstler einen Ausflug in den Segelsport und mit Red-Bull-Titelsponsor Aston Martin ins Straßen-Sportwagenprogramm. Nun ist Newey wieder näher an das Formel-1-Team gerückt. Für die Spannung in der Motorsportkönigsklasse kann das nur gut sein.


(dpa)

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