Reykjavík (dpa) – Mit einem kräftigen «Huh» haben zigtausende Fans ihre isländischen EM-Helden wieder in der Heimat empfangen. Kapitän Aron Gunnarsson & Co. fuhren in einem offenen blau-rot-weißen Bus durch die Hauptstadt Reykjavík und genossen nach dem Viertelfinal-Aus eine ergreifende Jubelfeier.
Zu den Klängen des hymnischen Lieds «eg er kominn heim» schunkelte die Sensationsmannschaft des Turniers auf dem Hügel Arnarhóll und wurde einzeln auf einer Bühne in der Abendsonne gebührend gefeiert. Dazu stimmte das Team die inzwischen weltberühmte Klatsch-Choreographie mit dem «Huh»-Schlachtruf an. In Frankreich hätte man nur eine Ahnung davon gehabt, wie in der Heimat mitgefiebert werde, sagte Trainer Lars Lagerbäck. «Aber nun die Menschen auf dem Weg vom Flughafen ins Stadtzentrum winken zu sehen, ist einfach fantastisch», sagte der begeisterte Schwede.
Kurz nach dem niederschmetternden 2:5 gegen Frankreich hatte sich Gunnarsson noch die Tränen aus den Augen gewischt und den Fans ein letztes trotzig-stolzes «Huh» entgegen geschmettert. Ari Skulason liebkoste seine kleine Tochter, gemeinsam posierten die Wikinger für ein Gruppenbild vor ihren Anhängern. Selbst eine halbe Stunde nach Abpfiff sangen die Zuschauer aus der isländischen Kurve im ansonsten leeren Stade de France immer weiter ihre melancholischen Lieder.
Vom Aus gegen den Gastgeber ließen sich die geschlagenen EM-Helden ihr ergreifendes Fußball-Märchen nicht lange vermiesen – und kündigten stattdessen eine Rückkehr auf die große Bühne an. «Die Jungs sind noch lange nicht satt, wir sind immer noch hungrig», betonte der bärtige Kapitän Gunnarsson weit nach Mitternacht. «Wir können jetzt nicht aufhören. Wir haben diese Erfahrung gemacht und wir wollen sie wieder haben.»
Als Europameister der Herzen verabschiedeten sich die Isländer aus Frankreich. «Húh!», titelte die Zeitung «Frettabladid» einfach nur und zeigte ein Bild der eigenen Anhänger. «Am Morgen danach werden die Spieler erkennen, was sie hier Großes geleistet haben», lobte «L’Équipe». Die Klatsch-Choreographie mit «Huh»-Schreien adaptierten sogar die Fans des französischen Gastgebers bereits.
In der Fankurve fieberte der neu gewählte Präsident Gudni Johannesson im Trikot mit, in Reykjavík verfolgten am Sonntagabend wieder Zehntausende Menschen, wie das isländische Team trotz eines 0:4 zur Halbzeit niemals aufgab und bis zum Ende kämpfte.
«Wir sind so stolz auf unser Team», sagte TV-Reporter Gudmundur Benediktsson der Deutschen Presse-Agentur. Augenzwinkernd fügte der frühere Nationalspieler, der mit seinem Kommentar selbst zur Kultfigur wurde, hinzu: «Wir können uns wirklich nicht beschweren – es ist schwierig, die EM im ersten Versuch zu gewinnen.»
Auch Lagerbäck schwärmte von all der Zuneigung aus Island und der ganzen Fußball-Welt. «Ich fühle das ganz tief in meinem Herzen. Bis auf die ersten 45 Minuten gegen Frankreich habe ich jede Minute genossen, es war ein Privileg.» Auch wenn seine Zeit als isländischer Cheftrainer nach viereinhalb Jahren endet, hält sich der 67 Jahre alte Schwede eine Fortsetzung seiner langen Karriere noch offen.
Beim kleinsten EM-Teilnehmer übernimmt wie schon vor dem Turnier verabredet der gleichberechtigte Coach Heimir Hallgrímsson die alleinige Verantwortung – und will Island auch durch die Qualifikation für die WM 2018 führen. «Vielleicht können wir es jetzt auch zu einer Weltmeisterschaft schaffen, aber das ist viel härter», sagte Hallgrímsson. In der Gruppe mit Kroatien, der Ukraine, der Türkei, Finnland und dem Kosovo schafft nur der erste den sicheren Sprung zum Turnier nach Russland.
Zuvor geht es für die Spieler des EM-Debütanten aber zurück zu ihren Vereinen – die häufig noch Odense BK, Hammarby IF oder Charlton Athletic heißen. «Ich wäre überrascht, wenn nicht viele isländische Spieler jetzt zu größeren Clubs gehen», sagte Hallgrímsson. «Isländische Spieler werden beliebter werden. Diese Spieler hier haben vorgelebt, was der Geist Islands ist.»
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(dpa)