IAAF-Chef Coe will radikal ändern

Monte Carlo – Erst die Reform, nun die Revolution: Präsident Sebastian Coe hat nach den kriminellen Umtrieben seines Vorgängers Lamine Diack im Weltverband IAAF aufgeräumt und Strukturen geschaffen, die Korruption vorbeugen.

Jetzt will der britische Lord den Attraktivitäts- und Bedeutungsverlust der Leichtathletik stoppen, um die olympische Königs-Sportart wieder zum Glänzen zu bringen. Das IAAF-Council wird am Wochenende in Monte Carlo darüber beraten.

«Wir müssen radikal reagieren. Alles muss auf den Tisch», forderte Coe, der die Leichtathletik als «Teil der Unterhaltungsindustrie» sieht und kein Tabu kennt: «Ehrlich, ich schließe nichts aus.» Im Kampf um Zuschauer und Fans, Fernseheinschaltquoten und -verträge sowie Sponsoren soll Vieles nicht mehr heilig sein – selbst das 400 Meter lange Lauf-Oval in Stadien nicht. «Warum sind wir damit verheiratet», lautet seine Frage. 200 oder 300 Meter lange, mobile Bahnen könne man doch auch in reinen Fußballstadien installieren.

Neue Formate, neue Wettbewerbsstrukturen, neue Präsentationsformen. «Momentan ist bei den Verbänden unterhalb der IAAF und EAA zu spüren, dass sie die Zukunftsfragen annehmen, um sie zu beantworten», berichtet Frank Hensel, Vizepräsident des Europa-Verbandes. «Es macht viel Freude, da mitzuarbeiten.» Doch es sei noch ein langer Weg und mit viel Widerstand zu rechnen. «Denn da muss man an heilige Kühe ran», meinte Hensel. «Wie heißt es so schön: Wenn man einen Sumpf trocken legen will, muss man nicht unbedingt die Frösche fragen.»

So hadert selbst ein aufgeschlossener Athlet wie Thomas Röhler mit der der Frage, wie weit die Reformen gehen sollten. «Wichtig ist, den Kern der Leichtathletik zu schützen», forderte der Speerwurf- Olympiasieger. «Wir sehen andere Sportarten, bei denen an der Kernkompetenz herumgedoktert wird, um medial besser dastehen. Soweit sollte es nicht kommen.» Überhaupt sollte man «nicht zu schwarz malen, was die Attraktivität der Leichtathletik» angehe. Allerdings wisse man auch: «Sportarten sind leicht austauschbar als Medienprodukt.»

Der erste Schritt einer fundamentalen Veränderung ist für die IAAF die Einführung einer Leichtathletik-Weltrangliste. Das Ranking soll die Qualifikation für Weltmeisterschaften und Olympische Spiele bestimmen. Für diese Rangliste werden Punkte bei Meetings gesammelt. Offen ist, welche Rolle nationale Ausscheidungen dann noch haben.

Die IAAF will mit dieser Liste mehr Transparenz in das verwirrende Wettkampfschema bringen. «Zum ersten Mal in der Geschichte werden Athleten, Medien und Fans ein klares Verständnis von der Hierarchie der verschiedenen Wettkämpfe haben, von nationalen über regionale bis hin zu weltweiten Events», erklärte Coe. Dies gelte besonders für die Premiumserie Diamond League, die im Mai beginnt, im September endet und 14 Meetings umfasst.

«Ich finde es gar nicht so schlecht, dass man mal darüber nachdenkt: Was ist für die Diamond League eigentlich das optimale Format?», sagte Diskus-Olympiasieger Robert Harting. Skeptisch äußert er sich zu Überlegungen, ob das ISTAF in Berlin sich um einen Platz in der Serie bewerben sollte. «Man hat den Trend gesehen, dass die ISTAF-Veranstaltungen ja auch gar nicht so super international sein müssen, weil die Menschen offensichtlich ein ganz anderes Bedürfnis haben: Sie wollen eine Beziehung aufbauen zu den Athleten da unten. Das passiert natürlich eher, wenn es einheimische Athleten sind.»

Trotzdem hat Meetingdirektor Martin Seeber IAAF-Chef Coe zum ISTAF Indoor am 26. Januar eingeladen, um über das Thema zu sprechen. «Diese Diskussion gibt es, seit wir da nicht mehr drin sind, seit acht Jahren», sagte Seeber. Bisher habe das keine Vorteile geboten, in dieser Serie drin zu sein. «Andererseits: Wenn sich das System verändert, gravierend verändert, wenn wir deutliche Vorteile haben und unser Gesicht weiter wahren können – klar, gehen wir da rein!»


(dpa)

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