Hamburg – Die Hände tief in den Jackentaschen vergraben, mit der blauen Vereinsmütze auf dem Kopf und mit einer Pfeife im Mund beobachtete der neue HSV-Hoffnungsträger Bernd Hollerbach die erste Übungseinheit seines neuen Teams.
Mehrmals ertönte ein schriller Pfiff, damit unterbrach der Neue vor 200 Fans die Übungen und korrigierte seine tief im Abstiegskampf der Fußball-Bundesliga steckenden Spieler. Eine Stunde zuvor am Montag hatte der taumelnde Hamburger SV den 48-Jährigen offiziell als Chefcoach und Nachfolger des am Sonntag beurlaubten Markus Gisdol bestätigt. «Hollers» Auftrag beim Tabellen-17. ist klar und schwierig zugleich: Klassenverbleib!
Am Montagmittag war der Unterfranke mit seinem schwarzen Porsche Cayenne mit Würzburger Nummer auf den Parkplatz am Volksparkstadion gerollt. Schon da warteten einige Kiebitze sehnsüchtig auf den neuen Coach. Dabei hielten sich Optimismus und Skepsis die Waage. Denn die Situation um den über 130 Jahre alten Verein ist so ernst wie nie.
Bis der Verein die Verpflichtung um kurz nach 14.00 Uhr verkündete, vergingen jedoch einige Stunden. Vorstandschef Heribert Bruchhagen hatte schon am Vortag berichtet, dass noch einige Formalitäten zu klären seien. Nach der Trennung von Gisdol am Vortag birgt die Verpflichtung von Hollerbach auch ein Risiko. Denn der frühere Abwehrspieler des HSV, der in der Zeit von 1996 und 2004 in allen Wettbewerben 224 Spiele für die Norddeutschen bestritt, hat bislang keine Bundesliga-Mannschaft als verantwortlicher Coach betreut. Allerdings hat er an der Seite von Felix Magath sowohl bei Meister VfL Wolfsburg als auch bei Schalke 04 Erstliga-Erfahrungen gesammelt.
«Wir hoffen natürlich, dass der neue Trainer die Verunsicherung in der Mannschaft löst und die nötigen Impulse setzt», sagte Bruchhagen. Hollerbach muss die Bremsen in der Mannschaft lösen. Auch im mentalen Bereich hat das Team Defizite. Mangelndes Selbstbewusstsein hindert die Profis derzeit an erfolgreichem Fußball. Vor allem die Offensive lahmt. Lediglich 15 Tore stehen für die Hamburger nach 19 Spielen zu Buche. Torjäger Bobby Wood (1) ist seit Monaten auf Formsuche. Auch André Hahn und Filip Kostic (je 2) bleiben unter den Erwartungen. Einzig der 18 Jahre alte Abiturient Jann-Fiete Arp (2) macht Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Hollerbach war seit gut einem halben Jahr vereinslos. Nach dem Abstieg seines Heimatvereins Würzburger Kickers aus der 2. Liga löste er seinen Vertrag auf. Nun strotzt er wieder vor Tatendrang. Seine engagierte Spielweise, die er schon als beinharter Linksverteidiger beim HSV an den Tag legte, erwartet er auch von seinen Schützlingen. Bekannt ist sein damaliger Leitspruch: «An mir kommt entweder der Ball vorbei oder der Gegner. Aber nie beide zusammen.»
Nun muss er sich als Bundesliga-Trainer beweisen. Als Wundertäter hatte ihn 2016 Würzburgs ehrenamtlicher Bürgermeister Adolf Bauer getauft. Damals feierte eine ganze Region euphorisch den Aufstieg der Kickers in die 2. Liga. Hollerbach hätte nichts dagegen, auch in Hamburg als Wunderknabe gefeiert zu werden. Eine vorzeitige Verlängerung seines bis 2019 laufenden Vertrages, der allerdings auch für die 2. Liga Gültigkeit hat, wäre ihm dann gewiss.
(dpa)