Hamburg – Dieter Hecking scheint kaum etwas aus der Ruhe zu bringen. Souverän und humorvoll tritt der neue Trainer des Hamburger SV auf. Nur auf dem Trainingsplatz wird der 54-Jährige durchaus auch einmal temperamentvoll, dann wieder führt er lange Gespräche mit einzelnen Spielern.
Seit fünf Wochen ist Hecking nun in Hamburg. Seine Aufgabe: Er soll den hanseatischen Traditionsverein mit der glänzenden Vergangenheit aus den Niederungen der 2. Fußball-Bundesliga wieder in einer bessere Zukunft führen. Hecking ist der Königstransfer des HSV, als der Hoffnungsträger für die anstehende Saison – nicht nur für den Club-Verantwortlichen um Vorstandschef Bernd Hoffmann.
«Es gibt einen neuen Trainer und neue Zuversicht», sagte Hamburgs Erster Bürgermeister und HSV-Fan Peter Tschenscher (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. Auch Vereins-Ikone Uwe Seeler ist von Hecking überzeugt: «Er ist erfahren und weiß, wie man mit Spielern umgehen muss. So einen braucht der HSV!»
Hecking ist bereit, Verantwortung zu übernehmen. «Aber allein kann ich es nicht schaffen», betont er zugleich. Dennoch: Seit der in diversen schwierigen Trainer-Jobs bewährte Routinier den gar nicht mehr großen HSV nach dem verpassten Wiederaufstieg übernommen hat, herrscht rund um den Volkspark mal wieder Zuversicht.
Er wirkt wie ein Gegenentwurf zu seinem gescheiterten und oft verunsichert wirkenden Vorgänger Hannes Wolf (38). Hecking strahlt natürliche Autorität aus. Gefällt ihm etwas nicht, scheut er auch keine klaren Ansagen – nicht nur intern.
Als der neue Co-Trainer Tobias Schweinsteiger an seinem ersten Arbeitstag auf HSV-Weisung keine Kommentare abgab, wurde dies in der Öffentlichkeit als «Maulkorb-Erlass» interpretiert. Hecking stellte klar: Sein erster Co-Trainer sei wie schon seit 18 Jahren Dirk Bremser. Schweinsteiger sei dazu geholt worden, habe aber noch nichts für den HSV geleistet. Die Diskussion war beendet. Schweinsteiger sprach einige Wochen später, wie von Hecking versprochen.
Rückhalt für seine Arbeit findet der fünffache Vater in seiner Familie. «Meine Frau managt die Familie», sagte er kürzlich dem «Hamburger Abendblatt». «Nur so habe ich Zeit genug, um den sehr zeitintensiven Trainerjob zu kümmern.» Dazu gehört auch schon mal, dass er einen Spieler wie HSV-Zugang Sonny Kittel in sein Heim bei Hannover einlädt, um ihn vom Wechsel zu überzeugen.
Hecking selbst musste nicht großartig vom Trainer-Job in Hamburg überzeugt werden. Noch in der vergangenen Saison hatte er Borussia Mönchengladbach auf Platz fünf und in die Europa League geführt. Dennoch war ihm die Trennung früh in der Rückrunde mitgeteilt worden. Eine Pause gönnte sich Hecking, der 2015 mit dem VfL Wolfsburg den DFB-Pokal gewann, nicht. Er wollte nicht warten, bis in der kommenden Saison wieder Trainerstellen frei werden. «Hier kann ich gestalten», sagt er.
Im neuen Job hilft ihm, dass dem Trainer-Verschleißverein HSV keine andere Wahl bleibt, als voll auf die Karte Hecking zu setzen. Nach vier Freistellungen seit Anfang 2018 hofft Vorstandschef Hoffmann, der zudem Sportvorstand Ralf Becker durch Jonas Boldt ersetzte, endlich auf Kontinuität. Er habe den Wunsch, «dass wir in drei Jahren in exakt dieser Konstellation hier sitzen und die dritte Bundesliga-Saison in Folge vorbereiten».
Hecking ist klar, dass er in der am Sonntag gegen Darmstadt 98 beginnenden Saison liefern muss. Er muss nach zahlreichen Neuzugängen und Abgängen ein aufstiegsfähiges Team formen. Dabei ist Hecking auch Realist. «Beim HSV lag die Erwartungshaltung zuletzt immer deutlich über dem, was realistisch war», warnt er. Die Top-Erfolge in den 70er- und 80er Jahren lägen weit zurück: «Die Zeiten von Kevin Keegan, Felix Magath oder Manfred Kaltz» seien ewig her. «Das waren Legenden, aus deren Erfolgen sich dieser falsche Anspruch herleitet.»
(dpa)