Hörmann zu WADA-Präsident Reedie: Keine Erfolgsgeschichte

Kattowitz – Für DOSB-Präsident Alfons Hörmann hat die Welt-Anti-Doping-Agentur durch das Handeln im Staatsdoping-Skandal in Russland an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Kritisch fällt seine Bilanz der Ära von WADA-Präsident Craig Reedie aus.

«Ich sehe seine Amtszeit zumindest nicht als WADA-Erfolgsgeschichte», sagte der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes im Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Frage: Die Welt-Anti-Doping-Agentur besteht seit 20 Jahren: Wie kann man diese Organisation zum Geburtstag würdigen?

Antwort: Natürlich ist es wichtig, richtig und elementar, dass es die WADA gibt. All die Erfahrungen aus den zwei Jahrzehnten und speziell der jüngeren Vergangenheit zeigen, wie bedeutend das Thema eines weltweiten Anti-Doping-Kampfes ist. Offensichtlich gibt es den manipulationsfreien Sport leider nicht, die Verstöße gegen Fair Play werden tendenziell nicht weniger. Es ist ein Wettlauf zwischen Hase und Igel geblieben: Die Kontroll- und Analysemethoden erzielen auf der einen Seite ständig wichtige und erfreuliche Fortschritte. Andererseits sind die Täter, die in Netzwerken daran arbeiten, auf dem manipulativen Weg zu Erfolgen zu kommen, nicht minder aktiv. Deshalb ist es wichtig, dass es die professionellen nationalen Anti-Doping-Aktivitäten und eine Institution wie die WADA gibt.

Frage: Ist der Welt-Anti-Doping-Code ein effektives Grundgesetz für den weltweiten Kampf gegen Doping? Oder hat er auch Lücken im Zuge des russischen Doping-Skandals offenbart?

Antwort: Im Wesentlichen ist der Code als Grundlagenwerk in vielen Punkten wohl auch heute noch gut geeignet. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass immer wieder Anpassungen erfolgen müssen – denken wir nur an die Vorgänge rund um Russland. Wenn Lücken erkannt werden, müssen sie konsequent geschlossen werden. Allerdings war es im Fall Russland aus meiner Sicht weniger ein Problem des vorliegenden Regelwerks, sondern eher der Anwendung der bestehenden Regeln. Das ist generell das größte Problem: Es gab und gibt nach wie vor erhebliche Unterschiede im weltweiten Anti-Doping-Kampf. Wir sind leider weit von weltweit einheitlichen Standards entfernt. Das muss aber unser aller Ziel im Sport sein.

Frage: Es gibt viel Kritik an der WADA. Der Umgang mit der Causa Russland weckte bei Athleten Empörung. Teilen Sie die Kritik?

Antwort: Ich habe damals rund um die gesamte Russland-Causa klare Worte gefunden und würde bis zum heutigen Tag nichts davon zurücknehmen. Die Tatsache, dass Russland – was mittlerweile hinlänglich berichtet und nachgewiesen wurde – offenkundig rechtzeitig vor der damaligen Untersuchung informiert wurde, bevor die WADA-Truppe anrückte, spricht Bände. Allein diese Tatsache ist im Grunde schon hoch bedenklich. Die Frage, wie im Nachgang alles geprüft wurde und wie an der einen oder anderen Stelle nicht in aller Konsequenz agiert wurde, bestätigt den kritischen Eindruck. Und all das, was jetzt rund um die neue Präsidentschaft der WADA kommuniziert wurde, scheint zu bestätigen, dass ich mit meiner Meinung weltweit wahrlich nicht alleinstehe.

Frage: Wie beurteilen und bilanzieren Sie in diesem Zusammenhang die Amtszeit von WADA-Präsident Sir Craig Reedie?

Antwort: Es ist immer schwierig, wenn man Personen in Institutionen in eine gewisse Form von Sippenhaft nimmt. Aber letztlich zeichnet in aller Regel derjenige, der an der Spitze einer Organisation steht, verantwortlich, zumindest für langfristige Entwicklungen. Man kann jemanden, der mehrere Jahre in einer Funktion tätig ist, nicht unbedingt an wenigen Einzelfällen, egal ob gut oder schlecht, beurteilen. Aber wenn sich etwas Wichtiges wie der Fall Russland über Jahre in eine offensichtlich falsche Richtung bewegt, hat der Verantwortliche an der Spitze in einer Organisation die klare Pflicht und Schuldigkeit, den Laden aufzuräumen und die Dinge in eine bessere Richtung zu entwickeln. So fällt aus meinem Verständnis seine Bilanz – wenn man es wohlwollend betrachten will – durchwachsen aus. Ich sehe seine Amtszeit zumindest nicht als WADA-Erfolgsgeschichte.

Frage: Viele Athleten haben wegen des Umgangs mit Russland das Vertrauen in die WADA verloren. Ist denn die WADA noch glaubwürdig?

Antwort: Wenn jemand mich oder andere Verantwortliche im DOSB fragen würde, habt ihr hundertprozentiges Vertrauen in die WADA, glaube ich nicht, dass es viele gibt, die uneingeschränkt ja sagen würden.

Frage: Der Pole Witold Banka wird der nächste WADA-Präsident. Wie kann die Glaubwürdigkeit der WADA zurückgewonnen werden?

Antwort: Es gibt ein weltweites Grundverständnis, dass die mit Abstand wichtigsten und höchsten Werte im Sport Fair Play und Chancengleichheit sind. Ohne diese Elemente wird der Leistungssport schlichtweg sinnlos. Deshalb ist die WADA einer der wichtigen Grundpfeiler des Sports, der Fair Play weltweit in aller Professionalität und Konsequenz sicherstellen muss. Zum einen durch die operative Professionalität mit einem intakten Regelwerk, das der weltweiten Entwicklung jeweils angepasst wird. Aber die Spitze muss eben auch gewährleisten, dass das Regelwerk hundertprozentig verlässlich angewendet wird und die entsprechenden Maßnahmen auch durchgesetzt werden. Dafür braucht sie eine möglichst große Unabhängigkeit von Sport, Politik, Ländern oder Einzelpersonen. Denn wir reden ja nicht von Vorschlägen oder Anregungen, sondern davon, wie Verstöße knallhart sanktioniert werden und wie man mit Personen oder mit Systemen bei Verstößen umgeht. Und die damit verbundenen Maßnahmen sind in der Regel nicht populär.

ZUR PERSON: Alfons Hörmann (59) ist dem 7. Dezember 2013 der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. Von 2005 bis zur Übernahme des DOSB-Spitzenamtes war er Präsident des Deutschen Ski-Verbandes.


(dpa)

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