London – Jürgen Klopp gab Pep Guardiola Nachhilfe im speziellen Fach Fußball-Mathematik. Wenn er bei Manchester City wäre, sagte der Trainer des FC Liverpool, «dann würde ich denken, es wären nur vier Punkte Rückstand».
Dabei weist die Tabelle der Premier League nach dem Weihnachtsspieltag den Abstand zwischen dem Tabellenführer von der Anfield Road und dem auf Rang drei zurückgefallenen Titelverteidiger City doch mit satten sieben Zählern aus. Aber Klopp – ganz der Motivationskünstler – würde einen Sieg von Manchester im Spitzenspiel am 3. Januar gegen die Reds bereits einkalkulieren, wenn er als Guardiola vor eine kriselnde Elf treten müsste.
Man City ist der große Verlierer der Weihnachtszeit. Das 1:2 am Boxing Day bei Leicester City war die dritte Niederlage in den zurückliegenden vier Liga-Spielen. In der vergangenen Saison hatte die Mannschaft insgesamt nur zweimal verloren. Tottenham Hotspur (Klopp: «Die fliegen») ist mit dem 5:0 gegen AFC Bournemouth an Guardiolas Team vorbeigezogen und seit Mittwoch mit sechs Punkten Rückstand nun erster Liverpool-Verfolger.
Guardiola, der City in der dritten Saison betreut, grübelt. Nach der Niederlage gegen Leicester sagte der Katalane, er müsse nun «reflektieren und nachdenken, was die Mannschaft braucht und wie ich ihr helfen kann». Alles Kopfsache! «Gute Ergebnisse wirken Wunder. Nun sind da Zweifel. Aber wir müssen die Dynamik ändern, um Spiele zu gewinnen und gute Leistungen zu bieten, um etwas zu bewegen und zu versuchen, wieder zu gewinnen.»
Auch Guardiola versuchte sich in der speziellen Mathematik seines Sports: «Wir haben eine unfassbare Punktzahl. In einer normalen Situation würden wir um die Meisterschaft kämpfen. Aber die Wirklichkeit ist, dass da zwei andere Teams sind, und die sind besser.» 44 Punkte hat City in der ersten Halbserie erreicht, im vergangenen Jahr waren es zum entsprechenden Zeitpunkt freilich 55 und am Saisonschluss 100 Zähler. Anfang Dezember stand Man City noch an der Tabellenspitze, und die Marke aus der vergangenen Spielzeit schien wieder in Reichweite.
Ein Problem ist die Defensive. Wettbewerbsübergreifend blieb Guardiolas Team seit neun Partien nicht mehr ohne Gegentreffer, was der Trainercrew «natürlich Sorgen macht». Das US-Magazin «Sports Illustrated» erkennt zudem einen «Mangel an Führung auf dem Platz. Da ist niemand, der sich das Spiel greift und es in Citys Richtung lenkt, wenn die Dinge falsch laufen».
Stark seien Guardiola-Mannschaften – ob der FC Barcelona, der FC Bayern oder jetzt Manchester – stets, wenn sie an der Spitze vorangingen. Der enge Titelkampf aber sei nicht die Spezialdisziplin von Pep-Teams. «Es kann sein, dass bei hohem Druck auf das Team, die starke Persönlichkeit (des Trainers) dazu führt, die Angst der Spieler zu vergrößern», deutet das Magazin.
Klopp hingegen gibt nach der erfolgreichsten Hinrunde der Clubgeschichte den Mahner. «Wir haben noch einen weiten Weg zu gehen, und das wissen wir alle», sagte der Coach, dessen Team am Samstag den FC Arsenal empfängt. Er erwartet ein enges Rennen «bis zum letzten Spieltag». Bis dahin wird noch viel Fußball-Mathematik durchgerechnet werden.
(dpa)