Darmstadt – Die Wunden sind verheilt, die zweifelnden Gedanken über eine Fortsetzung der Karriere verworfen. Mit großem Elan startet der schon oft gefallene Weltmeister Kevin Großkreutz beim Bundesliga-Absteiger Darmstadt 98 einen wohl letzten Neuanfang.
«Ich will richtig fit werden in der Vorbereitung, der Mannschaft helfen, Gas geben», kündigte der 28-Jährige vor dem öffentlichen Trainingsstart der «Lilien» an diesem Mittwoch in einem Interview der «Bild»-Zeitung an.
Am 2. März war Großkreutz beim VfB Stuttgart rausflogen, nachdem er einige Tage zuvor bei einer nächtlichen Party-Tour in eine Schlägerei verwickelt und dabei verletzt worden war. Sein emotionaler Abgang hatte etwas von Endgültigkeit: Auf einer Pressekonferenz entschuldigte sich Großkreutz unter Tränen für seinen Fauxpas.
In diesem Moment habe er ernsthaft erwogen, die Schuhe für immer in die Ecke zu stellen, berichtete Großkreutz. «Aber in der Zeit danach, als Ruhe eingekehrt war, habe ich viel nachgedacht und reflektiert. Ich bin Fußballer, liebe Fußball.» Das treibt ihn an, es noch einmal zu probieren. «Die USA waren auch ein Thema. Torsten Frings hat mich dann sehr überzeugt, nach Darmstadt zu kommen», sagte Großkreutz.
Für ihn ist es wahrscheinlich die letzte Chance, noch einmal im Profifußball Fuß zu fassen. Darmstadt scheint dafür die beste Adresse zu sein. Zum einen hat sich der Verein in der Vergangenheit schon oft als geeignetes Auffangbecken für anderswo aussortierte Spieler erwiesen. Zum anderen hat Großkreutz großes Vertrauen in Frings. «Er wollte mich unbedingt haben, hatte eine positive Ausstrahlung, und wir hatten gute Gespräche. Er hat zu mir gehalten und deshalb passt es auch», erklärte der sechsmalige Nationalspieler.
Sein Anker in der schweren Zeit nach dem Rauswurf waren Freundin Caro, die Familie und die kleine Tochter Leonie. «Wenn sie lacht, ist es das Schönste im Leben», erzählte Großkreutz. Hilfe gab es auch von seinem ehemaligen Dortmunder Mitspieler Sebastian Kehl. «Wir haben uns öfter ausgetauscht und die Dinge offen analysiert. Ich habe ihm ein paar ehrliche Ratschläge gegeben», berichtete der frühere BVB-Kapitän unlängst in einem Interview der «Welt».
Es freue ihn, dass Großkreutz «einen Verein bzw. einen Trainer gefunden hat, der ihm noch mal Vertrauen schenkt», erklärte Kehl. «Kevin hat sicher auch Fehler gemacht und ist sich dieser Chance sehr bewusst.»
Denn die Stuttgarter Eskapade war nicht der erste Fehltritt von Großkreutz abseits des Rasens. Schon im Mai 2014 hatte er mit einer «Pinkelaffäre» für negative Schlagzeilen gesorgt. Damals soll Großkreutz nach dem mit Borussia Dortmund verlorenen DFB-Pokalfinale gegen Bayern München in eine Hotel-Lobby uriniert haben. Der BVB strafte ihn mit 50 000 Euro ab – ein Jahr später trennten sich die Wege.
Sein Wechsel zu Galatasaray Istanbul wurde zum Alptraum, weil ihm die FIFA wegen eines Formfehlers der Türken keine Spielerlaubnis erteilte. Dann folgte die kurze Episode beim VfB, ehe ihm Darmstadt für zwei Jahre eine sportliche Heimat gab. Diese Chance will Großkreutz nutzen.
(dpa)