Größter Doping-Skandal im Biathlon droht

Salzburg (dpa) – Zwei Tage vor Heiligabend könnte der größte Doping-Skandal der Biathlon-Geschichte bittere Realität werden. Einen TV-Boykott wie einst bei der Tour de France müssen die deutschen Fernsehzuschauer allerdings nicht befürchten.

«Die Frage stellt sich derzeit nicht», sagt ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky. «Dass derzeit 31 russische Biathletinnen und Biathleten im Verdacht stehen, gedopt zu haben, ist sehr traurig und unschön, mit der damaligen Situation im Radsport jedoch nicht vergleichbar.»

Schon am Donnerstag trifft sich der Vorstand des Weltverbandes, könnte Konsequenzen ziehen. Doch schon jetzt ist der Imageschaden enorm. «Es gibt an Stammtischen viele, die sagen, ohne Doping kann man gar nicht vorn sein», sagt Ex-Weltmeister Arnd Peiffer, der wie viele andere Skijäger lebenslange Sperren für Dopingsünder fordert. Branchenführer Martin Fourcade aus Frankreich hat seine Kollegen gar zum Boykott aufgerufen, sollten die Funktionäre nicht hart durchgreifen. «Es schockiert natürlich schon, dass so eine unfassbar große Zahl an Sportlern betroffen sein soll», sagt Weltcup-Spitzenreiterin Laura Dahlmeier.

Bei den Doping-Affären im Biathlon waren nicht immer, aber oft Russen beteiligt. 2014 etwa wurden sie mit der höchstmöglichen Disziplinarstrafe von 100 000 Euro belegt. Vier Jahre zuvor forderten Skijäger aus 23 Nationen in einem offenen Brief härtere Strafen gegen Doping-Betrüger, drei russische Weltklasse-Biathleten waren damals überführt worden. Ihr Verband RBU kam mit einer Geldstrafe von 50 000 Euro davon.

Vor kurzem standen Gottlieb Taschler, einst Vizepräsident im Weltverband IBU, und sein Sohn Daniel im Blickpunkt. Taschler wurde wegen Kontakten zum Dopingarzt Michele Ferrari bis zum 12. Juni 2018 gesperrt. Im November wurde seine Berufung zurückgewiesen, dennoch ist Taschler weiter Organisationschef des Weltcups in Antholz. Zuletzt war Taschler, der die Vorwürfe zurückweist, mit einer Delegation auf Einladung des italienischen Außenministerium sogar offizieller Gast in Rom. Denn 2020 steigt die Biathlon-WM in Südtirol.

Ob die Titelkämpfe ein Jahr später im russischen Tjumen stattfinden, ist offen. Der Druck auf die IBU, es dem Bobverband nachzumachen und die Russen kollektiv zu bestrafen, ist groß. In der Aufarbeitung des McLaren-Reports geht der Biathlon-Weltverband forsch voran. IBU-Präsident Anders Besseberg hatte am vergangenen Donnerstag mitgeteilt, dass 31 der über 1000 genannten Russen aus verschiedenen Sportarten, die zwischen 2011 und 2015 Teil des Staatsdoping gewesen sein sollen, aus dem Biathlon-Sport kommen würden.

Auch momentan aktive Skijäger seien in dem schockierenden, von der Welt-Anti-Doping-Agentur initiierten Doping-Bericht genannt worden, erklärte Besseberg. Momentan prüfen fünf Experten aus fünf Nationen «die vorliegende Indizien-Sammlungen». Sie sollen dem IBU-Vorstand Ratschläge geben, könnten aber auch noch mehr Zeit benötigen. Spätestens bis zum Weltcup in Oberhof im neuen Jahr soll alles geklärt sein.

Von denn 33 russischen Olympia-Medaillen in Sotschi holten die Skijäger vier. Einmal war auch Biathlon-Gold dabei. In der Staffel besiegten Alexei Wolkow, Jewgeni Ustjugow, Dmitri Malyschko und der momentan größte Fourcade-Herausforderer Anton Schipulin das deutsche Silber-Quartett um Schlussläufer Simon Schempp. Der vom neuen russischen Cheftrainer Ricco Groß betreute Schipulin stellte beim letzten Weltcup des Jahres in Nove Mesto fest: «Mein Gewissen ist rein.»

Sein Chef Groß beklagt, dass sein Team nun mit Argusaugen beobachtet werde. «Man soll endlich mit der Eierei aufhören und die Namen nennen», fordert der viermalige Olympiasieger. Die schweren Vorwürfe beeinträchtigten seine Mannschaft. «Einige Athleten werden definitiv grundlos mitbelastet.» Immer wieder hat Groß seinen Biathleten klargemacht: «Wer betrügt, der fliegt.»

(dpa)