Paris – Jim Furyk beobachtete die ersten Schritte und Schläge von Tiger Woods auf dem Ryder-Cup-Kurs im Le Golf National ganz genau.
Und was der US-Kapitän auf der kurzen Proberunde sah, gefiel ihm. Konzentriert, aber auch mit der nötigen Lockerheit inspizierte ein gut gelaunter Woods inmitten seiner Team-Kollegen die ersten Spielbahnen des anspruchsvollen Golfplatzes. Der wiedererstarkte Superstar spielt eine Schlüsselrolle in Furyks Team: Woods soll die Amerikaner in Paris zum ersten Auswärtssieg seit 25 Jahren führen. Zum bis dato letzten Mal gewann eine US-Golfauswahl 1993 im englischen Sutton Coldfield auf europäischem Boden den Ryder Cup.
Woods soll die jungen wilden US-Rookies wie Justin Thomas, Bryson DeChambeau und Tony Finau inspirieren, ihnen helfen und den Druck von den Schultern nehmen. Woods ist als Teamplayer gefragt. Früher war das undenkbar. Da war der 14-malige Major-Sieger nur auf sich und den eigenen Erfolg fokussiert. Nur das Ego zählte. Mit- und Gegenspieler würdigte der wortkarge Superstar kaum eines Blickes. Fast einsam zog er seine Kreise. Doch nun gibt sich der 42 Jahre alte Kalifornier geläutert. Die lange Auszeit nach zahlreichen Verletzungen und privaten Problemen hat ihn positiv verändert.
Gerade deswegen hatte Furyk den langjährigen Weltranglisten-Ersten als Vize-Kapitän nominiert. Furyk ist sich sicher, dass die Euphorie, die Woods mit seinem spektakulärem 80. Turniersieg auf der US-Tour am vergangenen Sonntag ausgelöst hat, sich auch auf die anderen elf Teammitglieder überträgt. «Es ist ein schöner Boost für alle. Ich weiß, wie wichtig dieses Ereignis für alle zwölf Jungs und für Tiger ist», erklärte der 48-Jährige in Paris. Und: «Ein Mann mit seinem Status und dieser Anzahl von Siegen kann gerade in dieser Woche den Unterschied ausmachen.»
Das weiß auch Europas Kapitän Thomas Björn. Der Däne ist sich sicher, dass Woods den Kontinentalvergleich der jeweils besten zwölf Golfer aus den USA und Europa besser machen wird: «Er bringt so viel Größe in das Spiel des Golfs.»
Martin Kaymer, Deutschlands Nummer 1, fand lobende Worte für den Amerikaner. «Nach der wiederholten langen Pause so zurückzukommen, wie es Tiger Woods in den letzten Wochen geschafft hat, verdient allergrößten Respekt», sagte Kaymer der «Sport Bild» (Mittwoch). «Wenn er gesund bleibt, wird er auch in den kommenden Jahren oben mitspielen und Turniere gewinnen.»
Für den Nordiren Rory McIlroy geht es vor allem darum, die Amerikaner zu schlagen – und nicht nur Tiger Woods. Es sei dumm, sich nur auf einen Gegenspieler zu fokussieren, und Woods sei eben nur einer von zwölf Profis im US-Team.
Woods ist sich seiner neuen Rolle bewusst: «Wir haben seit 25 Jahren nicht auf fremdem Boden gewonnen, das wird sich hoffentlich in dieser Woche ändern». Doch bisher passten Woods und der Ryder Cup nicht so recht zusammen. Bei seinen sieben Teilnahmen konnte er nur 1999 in Brookline/US-Bundesstaat Massachusetts die Trophäe mit seinen US-Mitspielern gewinnen. Auch seine Match-Bilanz ist mit 13 Siegen, 17 Niederlagen und 3 Unentschieden eher trist. «Wenn ich auf meine gesamte Ryder-Cup-Karriere zurückblicke, ist es etwas, das ich nicht gerne sehe», gab Woods zu.
(dpa)