Hamburg – Markus Gisdol muss sich vorkommen wie in einer Zeitschleife. Erst spielt der Trainer mit dem Hamburger SV gegen seine Ex-Vereine VfB Stuttgart (3:1) und Schalke 04 (0:2), nun trifft er auf den nächsten Ehemaligen: 1899 Hoffenheim.
Am Sonntag (15.30 Uhr) gastiert seine einstige Mannschaft im Volksparkstadion. Die Vergangenheit holt den Coach des Fußball-Bundesligisten HSV im Wochenrhythmus ein. Und erneut wird er vergleichen: Wie war es damals, was ist heute anders, war es damals besser? Jede Woche beantwortete Gisdol die Fragen zu seinen Stationen mit Engelsgeduld. Nun hatte er genug von der Nostalgie und wurde einsilbig.
Das hat einen einfachen Grund: Eine hartnäckige fiebrige Grippe macht ihm zu schaffen. Die Augen trüb, der Teint blass – ihm war anzusehen, dass er lieber im Bett geblieben wäre. Das 1:3 der Hoffenheimer am Vorabend in Braga/Portugal schaute er sich vom Sofa aus an. «Niederlagen sind nie schön zu verkraften, schade für Hoffenheim, dass der Europa-Traum so schnell zu Ende gegangen ist», sagte Gisdol.
Im Kraichgau absolvierte er die längste Zeit als Trainer. In 96 Partien von April 2013 bis Oktober 2015 stand er an der Seitenlinie, darunter 85 Mal in der Bundesliga. Gisdol motivierte sein Team 2013 in der Relegation, damit es mit Siegen gegen den 1. FC Kaiserslautern den Klassenverbleib schaffte. Für Hamburger Verhältnisse sind gerade Relegationserfahrungen Gold wert. Zweimal standen die Hanseaten schon mittendrin im Schlamassel, verhinderten aber den Abstieg. Auch in dieser Saison ist die Gratwanderung allgegenwärtig.
«Ich habe in allererster Linie sehr viele positive Erinnerungen an diese insgesamt vier Jahre», sagte Gisdol vor längerer Zeit der «Rhein-Neckar-Zeitung». «Insgesamt war’s eine spannende und sehr schöne Zeit. Ich glaube, wir haben vielen Spielern in ihrer Entwicklung helfen können. Gerade das fühlt sich in der Nachbetrachtung sehr gut an.»
Was Gisdol beim Club von Mäzen Dietmar Hopp sportlich erreicht hat, schwebt ihm auch in Hamburg vor. Die Plätze acht und neun, wie einst in Sinsheim, wären für den leidgeprüften HSV schon ein Quantensprung. Doch bevor sich der 48 Jahre alte Coach an spielerische Feinheiten in Hamburg machen kann, muss er erneut im Existenzkampf bestehen. Während sein Ex-Club mit 20 Punkten im vorderen Tabellendrittel steht, geht es bei den Hanseaten (10 Zähler) wieder einmal um alles.
Das vom Vorstandsvorsitzenden Heribert Bruchhagen formulierte Ziel von 18 Punkten zur Winterpause möchte der Coach aber gerne toppen: «18 ist ein Wunsch, keine Zielvorgabe. Ich hätte gern noch mehr.»
Im Duell mit seinem Nachfolger Julian Nagelsmann hat Gisdol einen Vorteil. Von den direkten Duellen hat er noch keines verloren. In Hoffenheim holte er mit dem HSV im vergangenen Herbst ein 2:2. Daheim gewannen die Hanseaten in diesem Frühjahr mit 2:1.
Zumindest auf einen Kurzeinsatz hofft ein ehemaliger Hoffenheimer Spieler. Sejad Salihovic würde seinen Ex-Kollegen nur zu gerne beweisen, dass er in den vergangenen Jahren nichts verlernt hat. 46 Tore erzielte er in 171 Bundesliga-Spielen für die Kraichgauer und gab 34 Vorlagen. Vielleicht lässt Gisdol den Freistoßspezialisten ja am Sonntag für einen Kurzeinsatz ran.
(dpa)