Hamburg – Nach der Trennung von Markus Gisdol wartet auf dessen Nachfolger beim Hamburger SV ein Berg an Arbeit.
Der neue Trainer des norddeutschen Fußball-Bundesligisten, der aller Voraussicht nach am Montag vorgestellt wird und Bernd Hollerbach heißt, übernimmt ein seit Jahren gegen den erstmaligen Abstieg aus der Elite-Liga kämpfendes Team. Doch der ruhmreiche HSV hat noch mehr Baustellen, die auch dem neuen Trainer-Hoffnungsträger den Job erschweren.
OFFENSIVFLAUTE: Ganze 15 Tore hat der HSV erzielt, nur Schlusslicht 1. FC Köln (14) ist noch harmloser: Lediglich 15 Punkte auf der HSV-Habenseite und der direkte Abstiegsrang 17 sind die beinahe logische Folge. Den Ausfall von Schlüsselspieler Nicolai Müller, der in der Vorsaison bester Hamburger Scorer war, aber am ersten Spieltag einen Kreuzbandriss erlitt, konnte der HSV nicht kompensieren. Andere Offensivakteure wie Filip Kostic, André Hahn (je 2) und Bobby Wood (1) laufen ihrer Form hinterher. Allein das 18 Jahre alte Toptalent Jann-Fiete Arp (2) macht Hoffnung.
FINANZEN: Ohne die finanzielle Unterstützung von Investor und Fan Klaus-Michael Kühne wäre der HSV längst schon am Ende. Denn die Verbindlichkeiten des Vereins haben mit 105,5 Millionen Euro einen Höchststand erreicht. Das abgelaufene Geschäftsjahr endete mit dem zweithöchsten Minus der Clubgeschichte von 13,4 Millionen Euro. Ein Gang in die 2. Liga mit deutlich geringeren Einnahmen aus TV-Topf, Ticketverkauf und Werbeeinnahmen würde die wirtschaftliche Misere nur noch vertiefen, wenn nicht sogar die Existenz bedrohen.
VERSTÄRKUNGEN: Nach der schweren Verletzung von Offensiv-Ass Nicolai Müller am 1. Spieltag und der kurz danach einsetzenden sportlichen Talfahrt hatte Gisdol Verstärkungen gefordert. Vergebens. «Unsere Mittel sind begrenzt», sagte Sportchef Jens Todt stets. Die Serie von sechs Punktspielen ohne Sieg und der Absturz auf den Abstiegsrang haben aber dem Letzten beim HSV die Augen geöffnet. «Der neue Trainer kann jetzt mit Todt über Transfers sprechen», betonte Vorstandschef Heribert Bruchhagen. Milliardär Kühne war beim Trainerwechsel zwar nicht involviert, aber «komplett informiert», berichtete Bruchhagen. Könnte heißen: Kühne stellt erneut frisches Geld zur Verfügung.
PSYCHOLOGIE: Der HSV hat ein Kopfproblem. Durch fehlende Punkte und den Absturz in den Bundesliga-Tabellenkeller werden die Spieler immer ängstlicher. Die Selbstsicherheit schwindet, das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit auch. Es werden zunehmend Sicherheitspässe nach hinten gespielt, Risikozuspiele in die Spitze bleiben zumeist aus. Und 1:1-Situationen werden vermieden aus Angst, den Ball zu verlieren. Kein Wunder, dass in der Offensive nicht viel geht.
(dpa)