Leipzig – 13 Stunden nach dem nächsten Tiefschlag schwor Joachim Löw seine 22 Spieler auf die letzte Aufgabe im sportlich desolaten Jahr 2018 ein. Der Bundestrainer versammelte sein Personal auf dem Leipziger Trainingsplatz am Cottaweg und redete acht Minuten gestenreich auf die Profis ein.
Eine so lange Ansprache wählt Löw höchst selten. «Gestern Abend war er auch genervt», berichtete Manager Oliver Bierhoff. Jetzt will der DFB-Chefcoach das Jahr nach dem feststehenden Abstieg aus der Topgruppe der Nations League unbedingt mit einem Sieg abschließen, um bis zum Beginn der EM-Qualifikation im März 2019 eine positivere Stimmung mitzunehmen.
Die Hoffnung, doch noch den Abstieg in die europäische Zweitklassigkeit verhindern zu können, ist seit dem 2:0-Sieg der starken Holländer gegen die Franzosen dahin. Zum Abschluss des neu geschaffenen und ungeliebten Wettbewerbs am Montag (20.45 Uhr) in Gelsenkirchen kann Deutschland (1 Punkt) in der Gruppe 1 nicht mehr den letzten Platz abgeben. «Die Niederlande haben verdient gegen den Weltmeister Frankreich gewonnen. Für uns ist dieses Ergebnis natürlich bitter, weil wir damit keine Chance mehr haben, in der Liga A der Nations League zu bleiben», erklärte Löw.
«Das ist mit Sicherheit kein Weltuntergang, aber es ist schon frustrierend. Gestern Abend ist man schon genervt ins Bett gegangen», sagte Bierhoff. «Das hat noch einmal eins draufgesetzt auf das schlechte Jahr, das wir hatten. Vielleicht muss man mal den Boden berühren, um wieder den Aufstieg anzugehen». Auch die Spieler mussten sich erst einmal schütteln. «Wir haben gehofft, das schlechte Jahr noch einigermaßen gutmachen zu können», sagte der Schalker Sebastian Rudy mit Blick auf den Klassiker in seinem Heimstadion: «Wir wissen aber, wir dürfen den Kopf nicht hängen lassen.»
Julian Draxler verpasst das letzte Länderspiel im WM-Jahr. Der Offensivspieler von Paris Saint-Germain, der wegen eines Trauerfalls in der Familie schon bei der Testpartie in Leipzig gegen Russland (3:0) gefehlt hatte, wird auch in Gelsenkirchen nicht dabei sein. Dafür ist Real-Madrid-Star Toni Kroos nach einer Erholungspause in den Kader gerückt. Die angeschlagenen Marco Reus (Dortmund) und Jonas Hector (Köln) waren am Samstag wieder beim Training dabei. Ob sie gegen die Niederländer mitwirken, bleibt allerdings offen.
Löw ärgerte sich über die Franzosen, die sich beim 0:2 im Rotterdamer De Kuip vor allem in Halbzeit zwei wenig gewehrt hatten. «Aber da müssen wir uns an die eigene Nase packen. Wenn man sich auf andere verlassen muss, ist es immer schlecht. Wir haben uns selbst in diese Situation gebracht», bemerkte Bierhoff. Der Manager hat bei Löw aber nach der blamablen WM in Russland insgesamt wieder neue Lust am Job entdeckt. «Er ist mit viel Freude dabei. Man kann das schon ein bisschen mit dem Confed Cup vergleichen. Weil er einfach Lust hat, neue Dinge anzugehen, neue Impulse zu setzen.»
Am Sonntag reist der DFB-Tross von Leipzig in die Sportschule Kaiserau, wo die finale Vorbereitung auf das Holland-Spiel stattfindet. Die Sportliche Leitung versucht, die Spannung noch einmal aufzubauen. «Am Herangehen an das Spiel am Montag hat sich nichts geändert. Das ist einfach noch einmal ein Prestige-Duell. Zweitens wollen wir noch unsere Entwicklung vorantreiben», sagte Bierhoff mit Hinweis auf Löws neuen Jugend-Kurs. Zudem soll zumindest für die EM-Quali Auslosungstopf eins gesichert werden.
Für DFB-Präsident Reinhard Grindel ist das Spiel gegen das Team von Bondscoach Ronald Koeman «von größter Wichtigkeit». Der Abstieg aus der Liga A sei auch ein Zeichen für ein insgesamt schlechtes Jahr. Würde das DFB-Team in dem Setzranking für die Multinationen-EM 2020 mit Gruppenspielen in München den bisherigen Platz elf behalten und in Top 2 rücken, droht ein starker Gegner mehr. Nur die besten zehn Teams kommen bei der Auslosung am 2. Dezember in Dublin in den besten Topf. Konkurrenten des DFB-Teams um einen Platz in Topf 1 sind Polen, England und Kroatien. Acht von zehn Plätzen sind bereits vergeben.
«Auch das sehe ich halbentspannt», sagte dazu Bierhoff: «Natürlich will man immer eine optimale Voraussetzung haben. Aber auch in Topf 1 kannst du auf einen blöden Gegner treffen. Wir müssen einfach auch den Anspruch haben als Deutschland, in der Qualifikation unter die ersten Zwei zu kommen.» Nach dem schlechtesten Jahr in der Amtszeit Löw, die immerhin schon 2006 begann, ist das allerdings kein Selbstläufer.
(dpa)