Manchester – Gescheitert und gefeuert verließ José Mourinho auf dem Rücksitz einer schwarzen Nobelkarosse das Clubgelände von Manchester United.
Am Tiefpunkt einer Krisensaison haben die Bosse des englischen Fußball-Rekordmeisters endgültig die Geduld mit «The Special One» verloren und sich vom schon lange umstrittenen Startrainer getrennt. Die Schar der Kandidaten für die Nachfolge des 55-Jährigen wird von Zinedine Zidane, dem einstigen Erfolgscoach von Real Madrid, angeführt.
Die hämischen Gesänge der Fans des Erzrivalen FC Liverpool beim 3:1-Sieg in Anfield am Sonntag klangen der United-Führung wohl noch in den Ohren, als sie den Daumen über Mourinho senkten. «Entlasst Mourinho nicht!», hatte Liverpools Anhang beim Anblick des zuletzt chronisch enttäuschenden Ensembles aus Manchester gehöhnt. Der Absturz auf Tabellenplatz sechs und 19 Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Liverpool bedeuteten nach zweieinhalb Jahren das Ende der Amtszeit von Mourinho. Weniger Punkte hatte United nach 17 Spieltagen zuletzt vor 28 Jahren.
Und so hatte Mourinho schon eingeräumt, er könne die Saison «nicht mehr reparieren». Für ihn übernimmt bis Saisonende ein Interimstrainer, der in Kürze vorgestellt werden soll. Die «Manchester Evening News» berichteten, dass die Spieler Ole Gunnar Solskjaer als Übergangstrainer erwarten. Der 45-jährige ehemalige United-Profi steht bei Molde FK in seiner norwegischen Heimat unter Vertrag, dort ist die Saison aber beendet.
Zur neuen Saison könnten dann Zidane oder der frühere Man-United-Profi Laurent Blanc, der schon die französische Nationalmannschaft und Paris Saint-Germain trainierte, übernehmen. Gehandelt wird auch der ehemalige Chelsea-Coach Antonio Conte. Mauricio Pochettino, Trainer von Liga-Konkurrent Tottenham Hotspur soll schon länger das Interesse von Man United geweckt haben. Doch der Argentinier unterschrieb bei den Spurs erst im Mai einen neuen Fünf-Jahres-Vertrag.
Wer auch immer den Job nun vorerst als Platzhalter übernimmt, mehr als das Minimalziel Platz vier – die Qualifikation für die Champions League – kann er in der Liga wohl nicht mehr erreichen. Der einstige Titelgarant Mourinho, der mit dem FC Porto und Inter Mailand die Champions League gewann, hatte zuletzt keine Lösungen mehr für die sportliche Not des einstigen Dauermeisters. Der Europa-League-Sieg 2017 wirkte für United auch eher wie ein Trostpreis.
Der als Egozentriker bekannte Portugiese war nach der jüngsten Niederlage gegen Jürgen Klopps Team – abgesehen von einem kurzen Streit mit einem Sky-Reporter – ungewohnt kleinlaut. «Mit der Intensität und Körperlichkeit von Liverpool können wir nicht mithalten», sagte er.
Solche Aussagen wollen die Clubbosse angesichts des millionenschweren Kaders mit Stars wie dem französischen Weltmeister Paul Pogba, dem belgischen Topstürmer Romelu Lukaku und mehreren englischen Nationalspielern nicht hören. Pogba saß gegen Liverpool erneut nur auf der Bank. Ein angebliches Zerwürfnis mit dem Franzosen, wie in britischen Medien kolportiert, dementierte Mourinho stets.
Die einst erfolgsverwöhnten und mittlerweile leidgeprüften Anhänger von Manchester United müssen sich schon vor Weihnachten mit dem Gedanken anfreunden, dass am Ende der Saison wohl entweder ihr Erzfeind FC Liverpool oder schon wieder der ungeliebte Lokalrivale Manchester City die Meisterschaft gewinnt.
Ihre Wut auf die United-Spitze und die amerikanischen Clubbesitzer wächst. Denn der Niedergang des Rekordmeisters hat nicht erst mit Mourinho begonnen. Nach dem Weggang des langjährigen Erfolgstrainers Sir Alex Ferguson, der von 1986 bis 2013 im Old Trafford Titel sammelte, gelang es ihnen nicht, einen passenden Nachfolger zu finden. David Moyes, Louis Van Gaal und jetzt Mourinho – keiner konnte an die glorreiche Vergangenheit anknüpfen.
«Sie müssen jetzt sicher gehen, dass der nächste Trainer der richtige Trainer ist», forderte die Clubikone Gary Neville beim Sender BBC. Neville hat die Vereinsführung schon häufiger scharf kritisiert und sieht das Problem nicht nur beim Coach. «Das Entscheidende daran ist, dass sie um ihn herum die richtigen Fußballstrukturen bilden müssen.» Ex-Verteidiger Rio Ferdinand schrieb, es sei «Zeit für frische Ideen».
Einigen Man-United-Fans schwebt kurz vor Weihnachten eine vermeintlich einfache Lösung vor. Sie wünschen sich ihren geliebten Sir Alex wenigstens als Interimstrainer zurück. Aber diesen Wunsch wird ihnen der Weihnachtsmann wohl nicht erfüllen.
(dpa)