Froome verliert Gelb an Aru – Bardet gewinnt Pyrenäen-Etappe

Peyragudes – Geschlagen, entkräftet und mit leerem Blick rollte Chris Froome in der dünnen Pyrenäen-Luft zum Sky-Teambus, dagegen versetzte Romain Bardet die französischen Gastgeber in Ekstase.

Der 27 Jahre alte Publikumsliebling verteilte nach seinem Triumph auf der zwölften Etappe in Peyragudes Handküsse, stieß Jubelschreie aus und schlug immer wieder die Hände vor das Gesicht. Mehr denn je darf die «Grande Nation» vom ersten Tour-de-France-Sieg seit Bernard Hinault vor 32 Jahren träumen, auch wenn vorerst der Italiener Fabio Aru ins Gelbe Trikot geschlüpft ist.

«Ich bin jetzt näher am Gelben Trikot. Es war ein idealer Tag für mich. Der Sieg ist möglich», sagte Bardet, der einen Tag vor dem Nationalfeiertag womöglich die Wachablösung eingeleitet hat. Auf dem letzten der 214,5 Kilometer stürmte Bardet zum Sieg, nur der zweitplatzierte Rigoberto Uran (Kolumbien) und Aru konnten ihm folgen. Titelverteidiger Froome kam indes kaum mehr von der Stelle und verlor 22 wertvolle Sekunden.

Damit entwickelt sich die 104. Frankreich-Rundfahrt zu einem Sekunden-Krimi. Aru liegt nun sechs Sekunden vor Froome und 25 Sekunden vor Bardet. Auch Uran ist 55 Sekunden zurück in Schlagdistanz. Doch das Momentum spricht für Bardet, dem Vorjahreszweiten und großen Hoffnungsträger. «Es bleiben noch drei schwere Etappen. Ich werde weiter versuchen, Sekunden gut zu machen», sagte der AG2R-Kapitän.

Muss er auch, denn Spitzenreiter ist vorerst Aru, der sich noch auf der Königsetappe am vergangenen Sonntag mit seinem hinterhältigen Angriff gegen Froome unbeliebt gemacht hatte. «Es ist die schönste Sache, die einem im Leben passieren kann. Es wird nicht leicht sein, das Trikot zu verteidigen», schwärmte Aru.

Gut möglich, dass die Tour nun den Generationenwechsel erlebte. Aru (27) und Bardet (26) versprühen Leichtigkeit und Frische, der 32-jährige Froome wirkt dagegen längst nicht mehr so spritzig und angriffslustig. «Ich habe mein Maximum gegeben, hatte heute aber nicht die besten Beine. Es bleiben aber noch neun Etappen. Gratulation an Bardet und Aru», sagte Froome, der zum 51. und vorerst letzten Mal Gelb bei der Tour getragen hatte. Nur ein kleiner Einbruch oder doch mehr?

Die Schwäche im 1580 Meter hoch gelegenen Ziel auf dem Peyragudes, der 1997 als James-Bond-Kulisse diente, überraschte. Denn zuvor hatte Froome und seine verbliebenen Teamkollegen mit Tempoverschärfungen dafür gesorgt, dass der zweimalige Tour-Zweite Nairo Quintana und Altmeister Alberto Contador zurückfielen und viel Zeit verloren.

Der letzte Ausreißer Stephen Cummings war von Froome und Co. acht Kilometer vor dem Ziel eingeholt worden. Der höher eingeschätzte deutsche Ex-Meister Emanuel Buchmann konnte dem Tempo der Favoriten im Finale ebenfalls nicht mehr folgen und erreichte das Ziel 5:44 Minuten zurück auf Platz 23.

Im Nebel der Pyrenäen fiel die Entscheidung auf der 2,4 Kilometer langen Schlusssteigung. Davor hatten Froome und Aru zwölf Kilometer vor dem Ziel auf der Abfahrt vom Porte de Balès eine Schrecksekunde erlebt, als sie eine Kurve verpassten und fast gegen Wohnwagen der Zuschauer geknallt wären. Froomes Teamkollege Mikel Nieve raste zwischen die Fahrzeuge, blieb aber unverletzt. Froome und Aru mussten kurz stoppen und konnten ihre rasende Fahrt dann fortsetzen.

Marcel Kittel schaltete sich – wie angekündigt – auf der ersten Pyrenäen-Etappe in den Kampf um Punkte ein und fuhr sogar in einer 12-köpfigen Spitzengruppe. Beim einzigen Zwischensprint nach 94 Kilometern in Loures-Barousse belegte der Träger des Grünen Trikots hinter dem Australier Michael Matthews Platz zwei. Kittel kassierte 17 Punkte und schraubte sein Konto an der Spitze der Sprinter-Wertung auf 352 Punkte vor Matthews (222).

Am Donnerstag jährte sich eine der größten Tragödien der Tour de France zum 50. Mal. Am 13. Juli 1967 starb der Brite Tom Simpson beim Aufstieg auf den berüchtigten Mont Ventoux in der Provence. Ein kleines Denkmal an dieser Stelle erinnert an den Weltmeister von 1965. Der völlig dehydrierte Simpson war bei glühender Hitze vollgepumpt mit Amphetaminen und Alkohol. Nach dem Todesfall wurden bei der Tour Doping-Kontrollen eingeführt. Zum Gedenken besuchten Ex-Toursieger Bradley Wiggins und rund 50 Landsleute am Donnerstag das Simpson-Denkmal.


(dpa)

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