Frankreichs neue Gold-Generation – Chance auf eine Titel-Ära

Moskau – Die neue Gold-Generation der Franzosen ließ sich auch bei der Pressekonferenz ihres Erfolgtrainers nicht bremsen. Singend und tanzend stürmte die Weltmeister-Truppe um Super-Spaßvogel Paul Pogba die Veranstaltung am späten Sonntagabend im Moskauer Luschniki-Stadion.

Sie seien ein bisschen verrückt, meinte Deschamps grinsend und erneut durchnässt von den Champagner- und Wasserduschen. Fast schon väterlich verständnisvoll fügte er hinzu: «Sie sind jung und sie sind glücklich.» So jung, dass diese Mannschaft nach dem 4:2-Finalsieg über Kroatien am Anfang einer Ära steht und den Doppeltriumph ihrer Vorgänger um Zinedine Zidane nicht nur einstellen, sondern noch toppen könnte.

In zwei oder vier Jahren erreiche sie erst ihre ganze Stärke, wiederholte Deschamps mehrfach während der WM in Russland. «Diese Mannschaft hat eine Zukunft für die nächste EM und die nächste WM», pflichtete der ehemalige Trainer der Équipe tricolore, Raymond Domenech, bei.

Bei ihrer Ankunft am frühen Montagabend auf den legendären Champs-Élysées dürfte der Mannschaft ein rauschender Empfang bevorstehen. Das dürfte auch helfen, zu realisieren, was das Team erreicht hat. «Im Moment wissen meine Spieler noch nicht, was es bedeutet, Weltmeister zu sein», sagte Deschamps.

DIE PARTY HAT ERST ANGEFANGEN

Um 19.53 Uhr Ortszeit war Anpfiff für den Feiermarathon. Und mittendrin auch Staatspräsident Emmanuel Macron. Mit Pogba machte er die typische Tanzbewegung des feierwütigen Pogba – einmal den Kopf in die Armbeuge. Gegen Mitternacht ging die Party im WM-Camp der Franzosen weiter – Ende offen. Die Familien waren mit dabei. «Und Montag feiern wir mit allen Franzosen», kündigte Antoine Griezmann an.

DIE ÄRA KANN LANGE DAUERN

Griezmann, der Matchwinner, vielleicht das Gesicht dieser WM-Generation, ist 27 Jahre alt. Und damit einer der älteren im Team! Kylian Mbappé ist der jüngste, auch er traf im Endspiel. Und sagte danach: «Weltmeister zu sein, ist schon eine Botschaft, aber ich will noch besser werden.»

Mbappé ist nicht mal 20 Jahre alt und wurde zum besten Jungprofi des Turniers gewählt. Dazu kommen Spieler wie Benjamin Pavard vom VfB Stuttgart, 22 Jahre alt, Außenverteidiger-Kollege Lucas Hernandez 22 Jahre, die 24 und 25 Jahre alten Innenverteidiger Raphael Varane und Samuel Umtiti. Oder auch Pogba, auch erst 25 Jahre alt. Die Liste könnte noch weitergeführt werden. Deschamps wagte den Schritt und nahm 14 Spieler mit, die nicht zum EM-Kader vor zwei Jahren gehörten. Sie seien in Russland auf Entdeckungsreise gegangen, betonte der Coach.

DESCHAMPS WILL BLEIBEN

Er macht weiter und kann ein weiteres Stück Fußball-Geschichte schreiben. Nach dem Weltmeister-Titel als Spieler und Trainer könnte er dem EM-Titel als Spieler 2000 zwei Jahrzehnte später auch den EM-Titel als Trainer folgen lassen. Sein Vertrag ist bis dahin gültig. Und er will ihn erfüllen. «Ich mache nicht alles wie Jacquet», sagte er französischen Medienberichten zufolge in der Nacht auf Montag. Aime Jaquet hatte nach dem WM-Erfolg 1998 nicht weitergemacht. Er stehe für Kontinuität und habe einen Vertrag, den es zu erfüllen gelte. «Es ist vorgesehen, dass ich bleibe, also bleibe ich.»

EINE NEUE EUPHORIE IST AUSGEBROCHEN

Die Équipe tricolore hat geschafft, was ihr vor zwei Jahren letztlich nicht ganz gelungen war. «Es war so, so schmerzvoll, vor zwei Jahren nicht den EM-Titel zu holen», betonte Deschamps nach dem WM-Triumph. «Aber vielleicht wären wir jetzt nicht Weltmeister, hätten wir es damals geschafft.»

Nach einer eher unspektakulären Vorrunde wurde das 4:3 gegen den ehemaligen Vizeweltmeister Argentinien zum entscheiden Anschubsieg. In der Heimat wuchs die Begeisterung. Vor allem die Tatsache, dass diese Mannschaft mit Spieler unterschiedlicher Wurzeln auch ein Querschnitt der Gesellschaft der Grande Nation ist. «Das ist Frankreich, wie wir es lieben. Es gibt verschiedene Herkünfte, aber wir sind vereint. So ist es auch in der Mannschaft. Wir spielen für dieses eine Trikot», sagte Griezmann.

STOLZE VERLIERER

Die Auszeichnung für den zweiten Platz wollte Luka Modric nicht ablegen. Auch auf dem Weg zum Bus trug der Superstar der Kroaten noch die Silbermedaille um seinen Hals. «Wir fahren hier mit erhobenem Haupt weg. Aber es ist nicht einfach, so ein Finale zu verlieren, weil wir so nah dran waren», gestand der 32-Jährige. «Wir können uns nichts vorwerfen, wir haben alles gegeben und deshalb müssen wir stolz sein.» Zudem verließ Modric die WM noch mit dem Goldenen Ball als bester Spieler.

Der heimliche Star der Siegerehrung war Kroatiens Staatspräsidentin. Erst küsste Kolinda Grabar-Kitarovic die WM-Trophäe, dann drückte sie den besten Jungprofi Kylian Mbappé fest an sich und herzte schließlich alle Spieler des unterlegenen Teams. Der Regen machte ihr gar nichts aus – so ließ sie es sich auch nicht nehmen, völlig durchnässt Luka Modric & Co. in der Kabine wieder aufzurichten.


(dpa)

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