Frankreich bleibt auch nach EM ohne Terror vorsichtig

Paris (dpa) – Präsident François Hollande spricht nach der Fußball-EM von einem «Sieg für Frankreich». Der Fußballfan Hollande hätte am Montag im Élyséepalast mit dem französischen Team sicher lieber den neuen Europameister empfangen als einen unglücklich unterlegenen Vize.

Für den Staatschef zählt aber auch das von vielen Seiten geäußerte Lob für Frankreich als Organisator der mit 24 Teams bisher größten und mit 51 Spielen auch längsten Fußball-Europameisterschaft.

Die Anerkennung wird meist verknüpft mit der besonderen Situation des Landes: Nach den Terroranschlägen des vergangenen Jahres mit 149 Toten ist Sicherheit noch immer absolutes Top-Thema in Frankreich. Am 13. November begannen die blutigen Attacken vor dem Ort, an dem am Sonntag das Finale ausgetragen wurde: dem Stade de France in Saint-Denis, in dem die Franzosen damals gegen Deutschland spielten.

Seitdem herrscht Ausnahmezustand in Frankreich. Für die Fußball-EM und die Tour de France ist die Regelung mit Sonderrechten für die Sicherheitskräfte bis Ende Juli verlängert worden.

Das Radsportspektakel wird von 23 000 Polizisten und Gendarmen bis zum 24. Juli quer durch Frankreich gesichert. Hinzu kommen private Sicherheitsdienste in Start- und Zielbereichen. Während der Fußball-EM waren sogar bis zu 100 000 Polizisten, Soldaten und private Sicherheitskräfte im Einsatz.

Im Tross der Radfahrer diesmal auch: die Spezialeinheit GIGN, das französische Gegenstück der deutschen GSG 9. Wegen der Terrorgefahr begleiten sie die Tour de France erstmals auf der ganzen Strecke.

Das Ende der Fußball-EM ist aus französischer Sicht auch der Beginn einer neuen Etappe hin zum nächsten – bisher noch lediglich erhofften – Großereignis. Paris will nach 1900 und 1924 im Jahr 2024 wieder die Olympischen Spiele ausrichten.

Dafür setzt die französische Hauptstadt auf die «Kraft eines Traumes» («La force d’un rêve»). Der Eiffelturm für den Triathlon und die Champs-Élysées für die Radfahrer sind ins Konzept integriert, gesegelt werden soll vor Marseille. Das erfolgreiche Sicherheitskonzept der Fußball-EM gilt den Verantwortlichen in Paris dabei als weiterer Trumpf der Bewerbung im Rennen gegen Rom, Budapest und Los Angeles. Hamburg hatte seine Olympia-Pläne nach einem negativen Bürgerentscheid zu den Akten gelegt.

Ein Terroranschlag hätte auch Frankreichs Pläne wohl zunichte gemacht. Und die Fußball-EM jäh gestoppt, wie Organisationschef Jacques Lambert am Montag einräumte. Für einen schrecklichen Moment zu Beginn des Turniers schienen die Befürchtungen wahr zu werden: Ein Islamist ermordete nahe Paris ein Polizistenpaar. In seinem Video gab es auch Drohungen gegen das Turnier. Die Bluttat löste wegen des privaten Rahmens einen neuen Schock in Frankreich aus – sie wurde aber nicht direkt mit der Fußball-EM in Verbindung gebracht.

Die Historikerin Lindsay Sarah Krasnoff, die in mehreren Veröffentlichungen die französische Nationalmannschaft analysiert hat, setzt nach dem Turnier auf «ein bisschen Hoffnung der Franzosen nicht nur in ihr Team, sondern vielleicht auch in sich selbst». Das Land habe nach den Anschlägen etwas gebraucht, das es zusammenbringt.

Der unbeliebte Präsident Hollande und die Bevölkerung müssen allerdings knapp ein Jahr vor den nächsten Wahlen weiter klarkommen mit Rekordarbeitslosigkeit, Staatsverschuldung, Wirtschaftsschwäche und anhaltendem Streit um Reformen. Einen dauerhaften EM-Bonus für Hollande erwarten Meinungsforscher nicht.

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(dpa)