Frankfurt/Main – Die drei ganz großen Protagonisten des kleinen Fußball-Märchens von Eintracht Frankfurt sind inzwischen weit weg.
Das von Torhüter Kevin Trapp als «Büffelherde» bezeichnete Sturmtrio Luka Jovic, Sébastien Haller und Ante Rebic bescherte den Hessen einen rauschhaften Fußball-Frühling und einige magische Momente auf der großen europäischen Bühne, bevor ihnen Frankfurt schnell wieder zu klein wurde. Den Serben Jovic zog es zu Real Madrid, den Franzosen Haller nach London zu West Ham United, Kroatiens Vize-Weltmeister Rebic läuft in dieser Saison für den AC Mailand auf.
Der erste Eintracht-Einzug in ein europäisches Halbfinale seit 1980 jährt sich an diesem Samstag zum ersten Mal und viele Anhänger der SGE dürften sich in diesen turbulenten Tagen wehmütig an das vergangene Frühjahr erinnern. Während der Ausnahmezustand vor zwölf Monaten noch bedeutete, mit tausenden Fans große Reisen nach Lissabon oder London anzutreten, heißt es in diesen Tagen wegen der Corona-Krise: leere Stadien für lange Zeit, gestoppte Wettbewerbe seit über einem Monat und geschlossene Grenzen wegen einer Pandemie, die sämtliche Fußball-Euphorie zum Erliegen gebracht hat.
Als im Februar letztmals bei einem internationalen Spiel in Frankfurt Zuschauer ins Stadion durften, beschrieb Adi Hütter die Atmosphäre so: «Diese Europa League wird hier in Frankfurt einfach gelebt.» Der Österreicher war zuvor in der Schweiz und in Österreich tätig, aber eine solch immense Begeisterung hatte er zuvor noch nicht erlebt. Tatsächlich hat die Eintracht mit den überraschenden Erfolgen gegen Benfica, Inter oder Lazio Rom nicht nur das eigene Publikum begeistert, sondern auch die eigene wirtschaftliche Grundlage noch einmal verbessert, was sich nun auch in Krisenzeiten auszahlt.
Zur millionenschweren TV-Rate, an der momentan die Existenz einiger Clubs zu hängen scheint, sagte Hütter jüngst: «Wir wissen alle, dass es für viele Bundesligisten wichtig wäre. Eintracht Frankfurt ist in der glücklichen Lage, dass wir einige Zeit übertauchen können. 2016 wäre es für Eintracht Frankfurt auch sehr sehr schwer geworden.» Doch seit dem in der Relegation abgewendeten Abstieg vor knapp vier Jahren setzte am Main ein Aufschwung ein, nicht nur sportlich, sondern auch in der Führungsetage.
Die Vorstände um Fredi Bobic und Axel Hellmann sowie Sportdirektor Bruno Hübner haben langfristige Verträge, der Umsatz stieg in der vergangenen Saison um 60 Millionen Euro auf ein Allzeithoch von über 200 Millionen Euro, zudem hat die Eintracht inzwischen über 90.000 Mitglieder, auch hier ist die Tendenz steigend. Mit Blick auf Europa und den unerwarteten Halbfinaleinzug sprach Präsident Peter Fischer von «einem Licht- und Leuchtjahr». In seiner gewohnt martialischen Ansprache bemerkte Fischer, man habe Gegner «aufgefressen», die man sonst nur aus dem Fernsehen kannte.
Die Zukunft versucht der Verein auch in der derzeit so ungewissen Krisenzeit zu gestalten. Das Stadion, das zukünftig «Deutsche Bank Park» heißen wird, soll auf 60.000 Zuschauer ausgebaut werden. Für den Transfermarkt allerdings wird Planer Bobic umdenken müssen, alle bisherigen Überlegungen seien «komplett für die Tonne», wie der ehemalige Torjäger dem «Spiegel» sagte. Präsident Fischer rief den Mitgliedern schon im Januar zu: «Macht euch mal keine Gedanken. 2020 wird nicht langweilig.» An einen Stopp des Spielbetriebs und mehrere Monate ohne Fußball-Fans in Stadien hatte damals keiner gedacht.
(dpa)