Halle/Westfalen – Als Roger Federer zum neunten Mal die Trophäe bei den Gerry Weber Open in die Höhe reckte, konnte Alexander Zverev nur neidlos zuschauen.
Mit einer Tennis-Gala der Extraklasse gewann der Schweizer erneut das Tennis-Turnier im westfälischen Halle und erteilte Deutschlands großer Zukunftshoffnung eine beeindruckende Lehrstunde.
Der 35 Jahre alte Federer setzte sich im Endspiel in nur 52 Minuten mit 6:1, 6:3 durch und feierte damit eine perfekte Generalprobe für den Rasen-Klassiker in Wimbledon in einer Woche. Zverev kassierte dagegen wie im Vorjahr im Finale eine Niederlage und bekam von seinem großen Idol eindrucksvoll die Grenzen aufgezeigt.
«Du hättest ruhig ein bisschen netter sein und mir ein paar Punkte mehr gönnen können», sagte Zverev nach der völlig einseitigen Partie. «Es ist immer eine Freude, gegen dich auf dem Platz zu stehen», sagte der 20 Jahre alte Hamburger. «Heute natürlich nicht.»
Federer, der mit Blick auf sein großes Ziel Wimbledon auf die ganze Sandplatz-Saison verzichtet und eine zweimonatige Pause eingelegt hatte, war dagegen überglücklich. «Ich habe unglaublich gut gespielt. Ich habe mich gut gefühlt und nie nachgelassen», sagte Federer nach seiner perfekten Performance. «Das war bei weitem mein bestes Spiel in dieser Woche, mir ist einfach alles geglückt.»
Für seinen unterlegenen Gegner hatte er zumindest ein paar aufbauende Worte parat. «Er ist ein ganz netter Bub», sagte er unter dem Lachen der Zuschauer. «Ich freue mich sehr für ihn, wie er sich entwickelt hat. Ihm gehört die Zukunft.»
Die Gegenwart gehörte aber noch einmal Roger Federer. Der Schweizer startete unter dem wegen des Regens geschlossenen Dach des Gerry-Weber-Stadions furios. Der Rekord-Grand-Slam-Turniersieger nahm Zverev, zuvor bester Aufschläger des Turniers, gleich zweimal das Service ab – nach nur zehn Minuten stand es bereits 3:0 für Federer. «Ich war selbst ein bisschen überrascht, wie einfach es lief», sagte der Schweizer.
Hatte sich der Schweizer im Halbfinale gegen den Russen Karen Chatschanow noch einige Wackler geleistet, so agierte er im Finale von der ersten Sekunde an hochkonzentriert. Die langjährige Nummer eins der Welt schien dem aufstrebenden Zverev, gegen den er im Vorjahr noch im Halbfinale verloren hatte, mit aller Macht zeigen zu wollen, dass es noch ein langer Weg bis an die Weltspitze ist.
Zverev wirkte nach seinem zweifachen Einsatz im Einzel und Doppel dagegen etwas müde und bewegte sich nicht so gut wie in den Runden zuvor. Während Federer ohne Satzverlust das Endspiel erreicht hatte, musste Zverev im Viertel- und Halbfinale jeweils über drei Sätze gehen. Der Substanzverlust war gegen Federer deutlich spürbar.
Lediglich drei mickrige Pünktchen gelangen ihm im ersten Satz beim Aufschlag des Schweizers. Nach gerade einmal 22 Minuten holte sich Federer mit dem dritten Break den ersten Durchgang mit 6:1. Zverev hob verzweifelt die Arme in die Höhe, blickte resigniert zu seinem Team auf der Tribüne.
Zu Beginn des zweiten Abschnitts konnte die deutsche Nummer eins die Partie endlich etwas offener gestalten. Zverev, der in diesem Jahr bereits die Turniere in Montpellier, München und Rom gewinnen konnte, erspielte sich den ersten Breakball, schlug etwas besser auf. Doch Federer ließ keinen Deut nach, schaffte zum 4:2 das entscheidende Break und holte sich mit dem ersten Matchball den Titel. Zverev konnte da nur anerkennend gratulieren. «Du spielst wirklich Wahnsinns-Tennis im Alter von 35», sagte der gebürtige Hamburger.
Trotz der Niederlage blickt er zuversichtlich auf das nächste Highlight in Wimbledon. «Ich fahre mit viel Selbstvertrauen dahin», sagte Zverev. Titelkandidat ist für ihn aber ein anderer. «Wenn Roger in Wimbledon auch so spielt, dann ist er der große Favorit.»
(dpa)