Girona – Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein kleines Fußball-Märchen. Der FC Girona, Fußball-Club aus der gerade einmal 100 000 Menschen zählenden Provinzstadt in Katalonien, spielt erstmals in der 87-jährigen Vereinsgeschichte in der spanischen Primera Division.
Und ein beachtlicher Saisonstart hat den Club, dessen Montilivi-Stadion gerade einmal 10 000 Plätze fasst, auf den sechsten Platz katapultiert – direkt hinter den punktgleichen Königlichen von Champions-League-Sieger Real Madrid.
So unglaublich die Geschichte auch erscheinen mag, der Erfolg kommt nicht von ungefähr. Denn im Hintergrund ziehen der schwerreiche Premier-League-Club Manchester City und Pere Guardiola, Bruder und Berater des City-Startrainers Pep, die Strippen. Die City Football Group, die zum Imperium von Scheich Mansour Bin Zayed Al Nahyan aus Abu Dhabi gehört, und Guardiolas Girona Football Group halten inzwischen jeweils 44,3 Prozent der Anteile an dem Verein.
So ist Girona, wo einst die tief gefallenen Radstars Lance Armstrong, Tyler Hamilton und Floyd Landis ihr Domizil aufschlugen, quasi ein Farmteam des viermaligen englischen Meisters. Fünf Spieler wurden von City an den spanischen Club ausgeliehen, um auf höchstem Niveau Spielpraxis zu sammeln. Die brasilianische Nachwuchshoffnung Douglas Luiz hatten die Citizens beispielsweise für zwölf Millionen Euro von Vasco da Gama verpflichtet und gleich nach Girona geschickt. Der Wert des Spielers ist damit höher als das gesamte Club-Budget in der Vorsaison. Auch der Nigerianer Larry Kayode, im vergangenen Jahr Torschützenkönig in Österreich, wird von City in Girona geparkt. In Manchester hätte er aktuell gegen die Stars Gabriel Jesus, Ken Aguero oder Raheem Sterling keine Chance.
Begonnen hatte die Kooperation im Frühjahr 2015. Der Club hatte eine Menge Schulden, die Insolvenz drohte, ehe Pere Guardiola sich der Sache annahm. Der jüngere Bruder des früheren Bayern-Trainers, der auch Starspieler wie Andres Iniesta oder Luis Suarez berät, vermittelte dem Club die französische Investorengruppe TVSE Futbol. Das Konstrukt wurde nie so richtig klar, doch seitdem wechselten regelmäßig Spieler von City nach Girona. Vor wenigen Wochen gingen schließlich die Anteile direkt an die City Football Group und Guardiolas Firma über. Über die Summe wurde nichts bekannt.
Dass bereits 2015 die Dreiecksbeziehung Girona-City-Pere Guardiola bestand, ist nicht ganz uninteressant. Schließlich wechselte Pep Guardiola erst ein Jahr später vom FC Bayern nach Manchester. Nun könnte der Coach von der Aufbauarbeit seines Bruders profitieren, wenn sich Spieler in Girona zu echten Stars entwickeln sollten.
Die Europäische Fußball-Union (UEFA) hat sich für das Konstrukt noch nicht sonderlich interessiert. Das könnte sich ändern, sollte sich Girona einmal für den Europapokal qualifizieren. So hatten auch RB Leipzig und Red Bull Salzburg vor der Saison aufzeigen müssen, dass beide Clubs voneinander unabhängig sind.
Girona passt jedenfalls bestens in die Strategie der City-Besitzer. So halten die Investoren aus den Vereinigten Arabischen Emirate bereits die Mehrheit an den Clubs New York City FC (USA), Melbourne City FC (Australien), Yokokhama F. Marinos (Japan) und Club Atletico Torque (Uruguay). Auch mit Atletico Venezuela gibt es eine Partnerschaft.
Die Girona-Fans stört die Abhängigkeit nicht sonderlich, wie Präsident Delfi Geli erklärt: «Vor zehn Jahren haben wir uns noch mit dem Nachbarort duelliert. Das Budget ist seitdem um das Sechs- oder Siebenfache gestiegen.» Nichts für Traditionalisten also. So werden am Sonntag beim Gastspiel bei Athletic Bilbao, dem baskischen Dino in der Primera Division, nicht wenige Anhänger über den Emporkömmling aus Katalonien schimpfen.
(dpa)