Nizza – Wenige Monate genügten Lucien Favre, um auch in der «Grande Nation» zu einem ganz Großen aufzusteigen. Beim Gastspiel seines OGC Nizza bei Schalke 04 kehrt der langjährige Bundesliga-Trainer am Donnerstag als Triumphator nach Deutschland zurück.
In der Europa League läuft es zwar nicht gut, in der Ligue 1 führt das Team der Côte d’Azur die Tabelle aber mit nur einer Niederlage aus 13 Spielen vor den reichen Clubs Paris SG und AS Monaco souverän an. Die Fans der Rot-Schwarzen träumen schon vom ersten Liga-Titel nach 1959. Medien wie das Fußball-Portal «Football365» attestieren dem Schweizer die Fähigkeiten eines «Wundermachers».
In Berlin und Mönchengladbach ist der 59-Jährige den Fans noch in besonders guter Erinnerung. Sowohl mit Hertha (2009) als auch als Chef der Borussia (2012 und 2015) wurde der Mann aus der 800-Einwohner-Ortschaft Saint-Barthélemy zum Trainer der Saison gewählt. Acht Monate nach seinem Rücktritt als Gladbach-Coach im September 2015 heuerte er in Nizza an. Ein Rückschritt dachten viele. Gut bezahlter «Vorruhestand» unter der Sonne? Favre hatte andere Pläne.
In Nizza konnte der Coach schnell die seit zwei Spielzeiten in Italien und England untergetauchte Fußball-«Diva» Mario Balotelli zähmen und zu neuen Glanzleistungen motivieren. Der 26 Jahre Neueinkauf, der auf Schalke wegen einer Wadenverletzung fehlt, ist mit sieben Toren in neun Spielen einer der Hauptverantwortlichen für den Höhenflug des Außenseiters. Und er ist dem Coach sehr dankbar. «Favre habe ich für mich als ganz großen Trainer entdeckt. Er ist nicht nur im taktischen Bereich sehr gut, sondern weiß, wie man die Umkleidekabine managt», sagte der Italiener dieser Tage.
Auch andere OGC-Profis sind voll des Lobes: «Das macht unter Favre Riesenspaß. Er ist sehr warmherzig, das habe ich bei anderen nicht gesehen. Und er lässt uns Freiheiten auf dem Feld. Wir sollen spielen, Tore schießen», schwärmt der marokkanische Nationalspieler Younès Belhanda (26), der von Dynamo Kiew ausgeliehen wurde. Der junge Newcomer Wylan Cyprien (21) fasst sich kürzer: «Er ist für uns mehr Professor als Trainer. Er bringt uns sehr viel bei.»
Favre hat es sogar geschafft, der Diskussion um die angeblich zu hohe Zahl ausländischer Trainer in Frankreich Wind aus den Segeln zu nehmen. «Wenn man sieht, wie gut unser Trainer arbeitet, muss man über diese Diskussion schon lächeln», sagt Abwehrroutinier Mathieu Bodmer. Der 33-Jährige betont: «Favre sorgt nicht nur für Superstimmung. Er studiert jeden Gegner, kennt unsere Stärken und Schwächen. Wir sind immer sehr gut auf jedes Spiel vorbereitet.»
Favre ist in Frankreich in aller Munde, «aber überhaupt nicht gern im Rampenlicht», wie die Zeitung «Le Parisien» feststellte. Anders als andere erfolgreiche Kollegen tritt der frühere Nationalspieler stets bescheiden und ruhig auf. Erst im Sommer besuchte er das deutsche EM-Quartier, um sich bei Joachim Löw Sachen abzuschauen. Ob er Nizza, wie den FC Zürich 2006 und 2007, zum Liga-Titel führen kann? «Eine Meisterschaft dauert sehr lange», warnt Favre vor zuviel Euphorie. Man sei bisher nur gut in die Saison gestartet, «nicht mehr». Ob er zu bescheiden sei, wurde der Coach gefragt. Die Antwort: «Wieso sollte ich anders sein?»
(dpa)