Leipzig – Timo Werner ist da, wo Davie Selke noch hin will. Nicht zu RB Leipzig – dieses für ihn eher unerfreuliche Kapitel seiner Karriere hat der Stürmer von Hertha BSC hinter sich gelassen.
Mit der deutschen Nationalmannschaft, in der Werner zuletzt lange gesetzt war, liebäugelte der U21-Europameister bereits mehrfach. Zumindest Lothar Matthäus traut dem 23-Jährigen den Sprung ins Team von Bundestrainer Joachim Löw für die EM 2020 als «echte Nummer 9» auch zu. «Davie Selke könnte passen, wenn er gesund und in Form ist», sagte der Rekordnationalspieler und Sky-Experte vor dem Bundesliga-Duell von Leipzig und Hertha am Samstag (18.30 Uhr).
Dabei kommt es zum Aufeinandertreffen der Angreifer, die mit ihrer Art stellvertretend für die große Richtungsdebatte stehen, was ein Offensivspieler bieten muss. Dort Stoßstürmer Selke, der früher mit Attributen wie kantig oder wuchtig beschrieben worden wäre. Hier der wendige Werner, der eher ins Löwsche Verständnis von modernem Fußball passt.
Doch wie der Bundestrainer lange Zeit nach dem WM-Fehlschlag selbst, befindet sich auch seine Nummer 9 in einer Krise. Seit Beginn des Turniers 2018 in Russland traf Werner einmal in zehn Länderspielauftritten, erzielte auch für RB in diesem Jahr bislang nur ein Tor. Fast schon sinnbildlich, dass der 23-Jährige ausgerechnet bei der großen Stimmungsbefreiung beim 3:2 in den Niederlanden nicht zum Einsatz kam.
Über diese Auszeit war sein Vereinstrainer allerdings gar nicht «böse». «Ich bin mir sicher, dass die Entwicklung und der Trend der letzten Wochen auch weiter nach oben zeigt und er hoffentlich am Samstag wie der Rest der Mannschaft ein richtig gutes Spiel macht», sagte Ralf Rangnick über Werner, dessen kolportierte Einigung mit dem FC Bayern über einen Wechsel der RB-Coach bereits mehrfach dementierte.
Im Verein leidet Werner auch darunter, dass der inzwischen defensiv starke Tabellendritte im Mittelfeld häufig nicht mehr so besetzt war, dass der stets bemühte, aber glücklose Stürmer zur Geltung kommen konnte. Zudem verpasste er in der Rückrunde vier Spiele gesundheitsbedingt. Mit zwölf Saisontreffern hat der Leipziger aber immer noch viermal so oft in der Liga getroffen wie Selke. Sein früherer Mitspieler glänzt bei Hertha in ungewohnter Rolle, nachdem er in der Saisonvorbereitung noch von einer schweren Lungenverletzung gebremst worden war: Neun Torvorlagen bedeuten schon acht Spieltage vor Schluss einen Karriere-Bestwert.
Sein Coach will jedoch mehr von Selke sehen. «Davie hat sich im Kombinationsspiel weiterentwickelt, da muss er dranbleiben auch als persönliches Ziel», lobt Pal Dardai, sagt aber auch mit Blick auf das Saisonfinale des Tabellenzehnten: «Ich will ihn nicht unter Druck setzen: Er muss noch ein paar Tore machen, das ist seine Aufgabe.»
Auch für dieses Ziel zahlten die Berliner im Sommer 2017 die Vereins-Rekordablöse von 8,5 Millionen Euro. «Hertha hat mir nach einer schweren Zeit in Leipzig das Vertrauen geschenkt. Das schätze ich», sagte Selke Mitte Februar den Zeitungen «Berliner Zeitung»/«Berliner Kurier». Unmittelbar vor dem Duell mit seinem alten Club schwieg er öffentlich und will Tore sprechen lassen – zumindest das hat er diese Woche mit seinem Stürmergegner aus Leipzig schon einmal gemein.
(dpa)