Jekaterinburg – Dass Diego Maradona nun wirklich nicht als Paradespiel für Anstand und gutes Benehmen taugt, bedarf wohl keiner Diskussion.
Dass die oftmals an Peinlichkeit kaum zu übertreffende Fußball-Ikone mit zwei ausgestreckten Mittelfingern den 2:1-Siegtreffer Argentiniens gegen Nigeria feiert, passt aber bei der Fußball-WM gut ins Bild. «Fairplay, nein danke!», heißt es in diesen Tagen nur allzu oft, je mehr sich die Situation in den Gruppen zuspitzt. Aber wenn es um Millionen und Milliarden, um teure Vereinswechsel oder lukrative Werbeverträge geht, zählen die netten Videos, in denen Cristiano Ronaldo und andere Superstars für Respekt werben, nicht mehr viel.
Sogar DFB-Mitarbeiter scheuen sich nach dem Last-Minute-Sieg nicht vor Provokationen gegen das nicht gerade als Fußball-Großmacht bekannte Schweden. Die Schweizer Stars mit Migrationshintergrund lassen den Kosovo-Konflikt wieder aufleben, was Serbiens Nationaltrainer Mladen Krstajic als Fall für das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ansieht. Der Weltverband FIFA reagiert mit Geldstrafen, die auf das Fußball-Business umgerechnet wohl nur lächerliche Cent-Beträge sind.
Wenn am 15. Juli in Moskau der Showdown steigt, mag Neymar womöglich den WM-Pokal in die Höhe stemmen, den Fairplay-Preis wird er ganz sicher nicht erhalten. Seine Schwalben, seine ständige Diskussionen, seine Theatralik geht längst schon den eigenen Landsleuten daheim in Brasilien auf die Nerven. Mitspieler Thiago Silva soll sogar Schimpftiraden vom Superstar abbekommen haben, weil er nach einer Behandlungspause für einen Spieler von Costa Rica den Ball zurück zum Gegner gespielt hatte, was im Fußball eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist. «Heute hat Neymar mich sehr traurig gemacht», wurde Silva in den Medien zitiert. «Alles hat eine Grenze», schrieb die Zeitung «Lance» mahnende Worte an Neymar.
Im Grenzbereich bewegt sich auch Spaniens Diego Costa. Warum er in England den Spitznamen «Biest» verpasst bekommen hat, weiß nun wohl auch der arme iranische Verteidiger Morteza Pouraliganji. Costa soll ihn und dessen Familie in bester Marco-Materazzi-Manier auf dem Platz unentwegt beleidigt haben. «Er hat alles und jeden beschimpft», wurde der 26-Jährige von Al-Sadd Doha zitiert. Gegen Portugal bekam Pouraliganji auch noch den harten Ellbogen von Cristiano Ronaldo zu spüren, was mit einer Gelben Karte für den Superstar aus Portugal milde abgehandelt wurde. Willkommen auf der großen Fußball-Bühne.
Dass inzwischen die Spieler bei jedem Einwurf, bei jedem Eckball den Ball für sich reklamieren, ist längst schon zur Unsitte im Fußball geworden. So auch bei der WM in Russland. Es wird ständig diskutiert, lamentiert und auf den Schiedsrichter eingeredet.
Schärfe bringen längst auch die Experten bei dieser WM rein. So lästerte ESPN-Mann Zlatan Ibrahimovic über seine schwedischen Kollegen, mit denen er vor zwei Jahren selbst noch gespielt hat. Mario Basler verglich bei der ARD-Talkshow «Hart aber fair» Mesut Özils Körpersprache mit der eines Froschs. Öffentliche Kritik, die Weltmeister Mats Hummels eindeutig zu weit geht.
Dass es auch anders geht, haben japanische und senegalesische Fans gezeigt, als sie nach dem Spiel ihren Müll wegräumten. Und Maradona? Der hat Nationaltrainer Jorge Sampaoli schon nach dem ersten Spiel nahegelegt, nicht nach Argentinien zurückzukehren. Noch Fragen?
(dpa)