«Es tut weh» – Italiens bittere WM-Erfahrung

Rom – Jetzt wird der Schmerz so richtig spürbar. Als wäre das Quali-Debakel nicht schon schlimm genug gewesen für die fußballverrückten Italiener, setzt die WM in Russland noch einen drauf.

Während sich einige Nationalspieler in die Ferne zurückgezogen haben, fällt es den Fans in Italien schwer, sich für die anderen Mannschaften zu begeistern. «Ich treffe mich kaum mit Freunden um gemeinsam die Spiele anzuschauen», sagt Giovanni aus Rom. «Die Frustration ist groß.»

Zum ersten Mal seit 60 Jahren nimmt der viermalige Weltmeister nicht an der Weltmeisterschaft teil – eine «Katastrophe» für ganz Italien, wie Star-Torwart Gianluigi Buffon es nannte. Statt lediglich über die laufenden Spiele zu schreiben, widmen sich Sportzeitungen wie die «Gazzetta dello Sport» daher auch dem Leid rund um die verpasste WM-Teilnahme der Azzurri: «Und wir schauen zu…», heißt es da.

Den WM-Frust bekommen auch die Fußball-Kneipen im Herzen von Rom zu spüren. «Die vergangenen Jahre hatten wir bei der Fußball-WM immer einen großen Bildschirm im Freien aufgebaut», sagt Mariella, Kellnerin einer Bar auf dem Marktplatz Campo de‘ Fiori, wo das übliche Alltagstreiben von Verkäufern und Touristen herrscht. Dieses Jahr gibt es nur eine Leinwand im Innern des Ladens. «Es tut weh, nur zuzuschauen. Wir alle sind traurig», sagt Kellner Enzo. Einen klaren Favoriten hat er trotzdem: «Argentinien wird es schaffen.»

Die Tageszeitungen und das Fernsehprogramm sind dieser Tage ohnehin voll mit Schlagzeilen über die neue italienische Regierung. Verliert nicht gerade Deutschland sein erstes Spiel, rückt die WM aber auch in den Sportzeitungen weiter nach hinten.

Ganz entziehen können sich die Italiener der Weltmeisterschaft dann aber doch nicht. Der größte private Fernseh-Anbieter Mediaset teilte am Mittwoch mit, die ersten WM-Tage habe eine Rekordzahl an Zuschauern vor dem Fernseher verfolgt. 64 Millionen hätten in den ersten WM-Tagen eingeschaltet, bis am Dienstag alle 32 Mannschaften das erste Mal gespielt hatten.

Und die Spieler? Scheinen ihre Freizeit zu genießen – oder weit weg zu sein, um nicht zu leiden. Sie lassen sich beim «Barbiere» den Bart schneiden, feiern Hochzeit mit Freunden oder sind mit der Familie im Urlaub auf den Malediven wie Fans vom Ex-Dortmunder Ciro Immobile Tag für Tag auf Instagram verfolgen können: Meer statt Rasen, Badehose statt Trikot, Familie statt Teamkollegen.

Einem, dem besonders leid zu tun scheint, dass die Fans eine WM ohne Italien ertragen müssen, ist Ex-Coach Gian Piero Ventura. Er trage ein «gigantisches Betrübnis» in sich, sagte er der «Gazzetta». «Ich weiß, wie wichtig es ihnen war, Italien auf dem Feld zu sehen. Nach (dem Spiel gegen) Schweden habe ich nicht vor dem Fernseher geheult, aber das, was ich innerlich ausgestanden habe, spüre ich weiterhin jeden Tag und jede Nacht.»


(dpa)

(dpa)