Erstmals Rugby-WM in Asien – Japan setzt auf «Kirschblüten»

Kamaishi – Japan liefert Sport-Fans in aller Welt in den kommenden Monaten ein Powerpack an Großereignissen. Inmitten der Vorbereitungen für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio präsentiert sich das fernöstliche Inselreich von diesem Freitag an bis zum 2. November als Gastgeber der Rugby-WM.

Es ist das erste Mal, dass dieses Mega-Event in Asien stattfindet – wenn auch ohne deutsche Beteiligung. Während Rugby in Deutschland noch vergleichsweise ein Schattendasein führt – auch wenn die deutsche Rugby-Nationalmannschaft kürzlich erstmals den EM-Titel im olympischen 7er-Rugby gewonnen hat – in Japan ist Rugby deutlich beliebter, wenn auch nicht so wie Baseball oder Fußball.

Vor allem seit dem sensationellen 34:32-Sieg der «Brave Blossoms» gegen das Rugby-Powerhouse Südafrika bei der WM 2015 – eine der größten Sensationen der internationalen Rugby-Geschichte – erfährt der Sport in Japan erheblich größere Aufmerksamkeit als je zuvor. 20 Mannschaften treten gegeneinander beim sogenannten Webb Ellis Cup an.

Gastgeber Japan, kürzlich zum Pacific Nations Cup Champion gekürt, hat sich vorgenommen, nach dem historischen Sieg gegen den zweimaligen Weltmeister Südafrika erstmals in die Knockout-Phase vorzustoßen. Mit Titel-Verteidiger Neuseeland auf der Jagd nach dem dritten Weltcup-Sieg in Folge spielen die 20 Teams insgesamt 48 Spiele an 12 Spielstätten, die sich über ganz Japan erstrecken – von Sapporo im hohen Norden bis Kumamoto im Südwesten des Inselreichs.

Als traditionelle «Rugbystadt» gilt Kamaishi, der einzige Austragungsort, wo ein neues Stadium extra zur Rugby-WM gebaut wurde. Die im Nordosten gelegene Stadt an der Pazifikküste Japans war 2011 von der verheerenden Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe schwer verwüstet worden. Rund 1000 Menschen starben allein hier in den Fluten. Rugby soll nach den Worten von Bürgermeister Takenori Noda zum Wiederaufbau beitragen, so wie die Olympischen Spiele im kommenden Jahr der ganzen Welt den Fortschritt beim Wiederaufbau der gesamten Katastrophenregion im Nordosten in den Fokus stellen sollen.

Rugby hat in Kamaishi eine lange Tradition. Der Club des ortsansässigen Stahlriesen Nippon Steel, Nippon Steel Kamaishi, war zwischen 1979 und 1985 sieben Mal nationaler Champion geworden. Seit 2001 setzt der Nachfolgeclub Kamaishi Seawaves die Tradition fort. «Einer für alle, alle für einen», zitiert Noda im Gespräch den Rugby-Geist seines Landes. Das könne auch auf den Wiederaufbau seines Ortes angewandt werden.

Ohne die Erholung der Stadt, gebe es keine Erholung der Bürger. Ohne die Erholung der Bürger, gebe es keine Erholung der Stadt. Und so setzte sich der Bürgermeister gegen Kritik wegen der hohen Kosten für den Bau eines Rugby-Stadions für die WM ein. Es entstand da, wo der Tsunami 2011 zwei Schulen zerstört hatte.

Die Rugby-Weltmeisterschaft wird Schätzungen zufolge mehr als 400.000 Besucher nach Japan locken. Die Spiele in der Japan-Gruppe waren beinahe sofort ausverkauft. Auf umgerechnet rund vier Milliarden Dollar wird der wirtschaftliche Effekt der WM geschätzt. World Rugby-Chef Bill Beaumont frohlockte denn auch bereits im Vorfeld der Mega-Veranstaltung, die erste Rugby-WM in Asien werde ganze Rekorde brechen, sowohl was die Zahl der Fans als auch was die die TV-Übertragung der Wettkämpfe angehe. Weltweit gesehen gilt die Rugby-WM nach Olympia und der Fußball-WM als drittgrößtes Sportevent. Seit 1987 wird das Turnier alle vier Jahre ausgerichtet.

2015 legte Japan unter dem heutigen England-Chef Eddie Jones seine bisher stärkste Endrunden-Performance hin und holte in vier Spielen drei Siege. Zwar endeten die «Kirschblüten» damals auf Platz Drei hinter Südafrika und Schottland und schieden früh aus. Doch mit ihrem historischen 34:32-Sieg in letzter Minute über Südafrika hatten die «Brave Blossoms» dermaßen überzeugt, dass sie als Helden in ihre Heimat zurückkehrten und dort einen wahren Rugby-Boom auslösten.

Unter dem jetzigen Trainer Jamie Joseph geht Japan, die Nummer 9 der Weltrangliste, nach Siegen gegen Fiji, Tonga und die USA beim Pacific Nations Cup in starker Verfassung in die WM. Doch um den Titel dürften andere kämpfen. Titelverteidiger Neuseeland strebt zwar den dritten Turnier-Gewinn an, doch fehlen den All Backs Spieler, die einst zum Ruhm des Teams beitrugen wie Richie McCaw oder Dan Carter. Der Ausgang der WM gilt denn auch als so offen wie selten zuvor.


(dpa)

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