Ende der Schmach als OAR? – Russland Eishockey-Topfavorit

Pyeongchang (dpa) – Nie war die Chance für Russlands Eishockey-Künstler größer, den Olympia-Fluch zu beenden. Ohne NHL-Profis in Pyeongchang ist das Team Olympischer Athleten für Russland (OAR) Topfavorit bei den Winterspielen.

Endlich soll für die Eishockey-Großmacht das erste Olympia-Gold seit 26 Jahren her, um auch die Schmach von Sotschi 2014 vergessen zu machen, als die Sbornaja im eigenen Land im Viertelfinale gegen Finnland verlor.

«Wir haben eine großartige Mannschaft», sagte Superstar Ilja Kowaltschuk, einer von drei ehemaligen Top-NHL-Profis neben Pawel Dazjuk und Wjatscheslaw Wojnow. «Wir haben hier ein Ziel: gewinnen», sagte auch Stürmer Michail Grigorenko von ZSKA Moskau. Der inzwischen 39 Jahre alte Dazjuk galt in seinen insgesamt 14 Jahren bei den Detroit Red Wings einst als einer der besten Spieler der Welt. In Südkorea könnte er in den elitären «Tripe Gold Club» aufsteigen. Mitglied wird, wer jeweils mindestens einmal den Stanley Cup der NHL, die Weltmeisterschaft und olympisches Gold gewonnen hat.

Während die anderen Top-Nationen ihre Teams notgedrungen zum Großteil aus Spielern mehrerer europäischer Ligen zusammenstellten, stehen im OAR-Team ausschließlich Spieler der heimischen, russisch geprägten KHL. Die Osteuropa-Liga gilt nach der NHL als zweitbeste der Welt.

Solange die nordamerikanische Profiliga ihre Saison zwischen 1998 und 2014 jeweils für Olympia unterbrach und die besten Spieler der Welt schickte, war Rekordweltmeister Russland mehr oder weniger auf einem Niveau mit den anderen Nationen und verpasste stets das ersehnte Gold. Das ist nun anders. «Russland hat auf jeden Fall das Team mit den talentiertesten Spielern», sagte US-Coach Tony Granato.

Hinzu kommt, dass im Eishockey anders als in anderen Sportarten kein russischer Spieler des Dopings überführt und damit von Olympia ausgeschlossen wurde. Wegen des Dopingskandals in Russland unter dem sperrigen Namen «Olympische Athleten für Russland» und olympischer Flagge starten zu müssen, motiviert die Spieler zusätzlich. «Jeder weiß, dass es hart für uns ist, nicht unter unserer Fahne und mit unserer Nationalhymne anzutreten. Das motiviert umso mehr, für unser Land zu spielen», sagte Grigorenko: «Wir sind immer noch Russland.»

Die anderen Nationen setzen auf mehr Ausgeglichenheit durch den Olympia-Boykott der NHL. «Dadurch wird es Überraschungen geben», prophezeite der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes, Franz Reindl. Kanadas Coach Willie Desjardins befand: «Das ist ein Turnier, das wirklich jeder gewinnen kann.»

Auch dürfte das Niveau besser werden als erwartet. «Das wird einige Leute geradezu schockieren», sagte US-Verteidiger Bobby Sanguinetti, der einst für die New York Rangers und Carolina Hurricanes in der NHL spielte. 94 der 300 Eishockey-Olympioniken haben NHL-Erfahrung, hinzu kommen etliche Top-Talente wie der erst 17 Jahre alte Schwede Rasmus Dahlin, der als künftiger Weltstar gilt. Beim NHL-Draft im Sommer, der Zuteilung der weltweit größten Talente eines Jahrgangs, wird Dahlin wahrscheinlich an erster Stelle gezogen. Deutschlands Bundestrainer Marco Sturm erinnerte noch einmal daran: «Es geht immer noch um Gold, Silber und Bronze.»

1992 in Albertville siegte genau genommen auch nicht Russland, sondern nach dem Zerfall der Sowjetunion das Team aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Es trat damals unter der olympischen Flagge an – genau wie diesmal die OAR-Auswahl.

(dpa)