Berlin – Der erfolgreichste deutsche Footballer der NFL-Geschichte sitzt auf der Couch, verfolgt das Spiel seines alten Teams im TV und rennt im Geiste mit.
«Es ist ein bisschen, wie die Amerikaner sagen, bittersweet», sagt Sebastian Vollmer. «Man denkt halt immer: Ah, den Block hätte ich jetzt gemacht, oder: Da hätte ich helfen können.» Im Frühjahr beendete der 33 Jahre alte Super-Bowl-Gewinner seine Karriere in den USA – restlos ausgepowert.
Am rechten Ringfinger des gebürtigen Rheinländers steckt ein diamantenbesetzter Klunker: der Ring, den jeder Super-Bowl-Gewinner in der American-Football-Liga NFL erhält. Vollmer hat zwei davon. Seit Mai ist er Football-Rentner. Nach einer Saison, die er komplett wegen verschiedener Verletzungen aussetzen musste, setzten ihn seine New England Patriots vor die Tür.
«Ich wollte auch entlassen werden», sagt er und richtet sich auf etwas kargere Zeiten ein. Sein letzter Vierjahresvertrag hatte einen theoretischen Wert von bis zu 27 Millionen Dollar. 8,5 davon garantiert.
Als er im Februar 2015 den ersten Ring gewann, stand er als Bodyguard der Quarterback-Legende Tom Brady auf dem Feld. Zwei Jahre später konnte der verletzte Vollmer nur zusehen, als die New England Patriots den nächsten Super-Bowl-Sieg feierten. Nach Schulter- und Hüft-Operationen war sein Karriereende absehbar.
«Football ist ein Riesengeschäft für alle, Eigentümer, Fernsehsender», sagt er und zeigt Verständnis für das knallharte Business. «Der Vergleich ist so ein bisschen wie bei Maschinen oder Autos: Wenn der Spieler ein bisschen kaputt ist, auch körperlich – weg damit», sagt der 2,03 Meter-Riese. «Es ist immer schade, wenn man davon selbst betroffen ist, aber den Gedanken dahinter verstehe ich schon.»
Jetzt will Vollmer den deutschen Football pushen. «Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, den Leuten zu ermöglichen, was der Sport mir ermöglicht hat und ein bisschen die Tür öffnen», sagt er.
In Deutschland wächst der Sport seit Jahren. 1,5 Millionen Menschen verfolgten den Super Bowl im Februar vor dem Fernseher – Online nicht einberechnet. Der Sport-Streaming-Anbieter DAZN hat sich die Rechte an der NFL-Konferenz «Redzone» gesichert, die Spielhighlights parallel zusammenschneidet.
Damit soll der wegen der Zeitverschiebung aus Europa bisher schwer verfolgbare Sport in die Sonntagabend-Primetime geholt werden oder am Montagmorgen zum Frühstücksfernsehen für Sportfans werden. Vollmer und sein ehemaliger NFL-Kollege, der Berliner Björn Werner, sollen künftig als Experten, in Kommentaren oder über Social Media tätig werden.
Darüber hinaus will er weitergeben, wie sein Sport mit weniger Verschleiß betrieben werden kann. Wer als Lineman Football spielt, brauche rund 150 Kilogramm Kampfgewicht. Die könnten auf «gesundem Weg oder ungesundem» aufgebaut werden, sagt Vollmer, der heute 110 Kilogramm auf die Waage bringt.» So will Bradys ehemaliger Bodyguard künftig auch Ernährungs- und Trainingstipps geben.
(dpa)