Suzuka – Auch das Rennen zum wartenden Helikopter gewann Lewis Hamilton mit Leichtigkeit. Vor dem Abflug in die Nacht von Suzuka wirkte der bald fünfmalige Formel-1-Weltmeister nur einmal kurz überfordert, als er den erstaunlichen Einbruch seines Widersachers Sebastian Vettel erklären sollte.
«Ich hätte auf keinen Fall erwartet, dass sie so sehr nachlassen. Darauf habe ich keine Antwort, aber wahrscheinlich könnte Sebastian die Gründe nennen», sagte der Mercedes-Pilot nach seinem ungefährdeten Erfolg in Japan.
Die Superform des britischen Seriensiegers gepaart mit der Krise von Vettel und seiner Scuderia haben dem Titelkampf unerwartet früh die letzte Spannung genommen. Dass Hamilton schon in knapp zwei Wochen beim viertletzten Saisonlauf in Austin wieder Champion sein könnte, ist Zeugnis für das neuerliche Scheitern von Ferrari und seinem Chefpiloten im vierten gemeinsamen Jahr. Einen «Zusammenbruch» erkannte die «Gazzetta dello Sport». Mehr denn je stellt sich die Frage: Kann Vettel mit diesem Team überhaupt Weltmeister werden?
Erste Fragen nach einem Abschied wies der 31-Jährige in Japan noch entschieden zurück. «Wir tun alles, um zu kämpfen und dagegenzuhalten», beteuerte der Hesse. Aber es reicht offenkundig nicht gegen Hamilton und Mercedes. Zu groß ist die Zahl der Fehler, die Vettel und Ferrari unterlaufen. Und zu schwach sind die Italiener im brutalen Entwicklungsrennen mit den Silberpfeilen. «Sie haben viel an Leistung verloren, die Leistung kam einfach nicht mehr so wie vorher», stellte Hamilton verwundert fest.
Sah es bis zum Sommer wieder wie ein Zweikampf auf Augenhöhe aus, ist Mercedes wie schon im Vorjahr im Herbst meilenweit enteilt. «Es ist ein Marathon und kein Sprint», sagte Hamilton. Ferrari fehlten erneut die Konstanz und das Durchhaltevermögen, das auf einer Welttournee über 21 Stationen mitentscheidend ist.
Dazu mangelt es der Scuderia anscheinend an Stärke in der Führung. Teamchef Maurizio Arrivabene, ein ehemaliger Zigaretten-Manager, stand schon nach der WM-Niederlage der vergangenen Saison vor dem Aus und wirkt auch diesmal hilflos. Technik-Direktor Mattia Binotto, der Arrivabene in herzlicher Abneigung verbunden ist, machte zuletzt ebenfalls keine glückliche Figur mehr. Seit dem plötzlichen Tod von Ferrari-Chef Sergio Marchionne im Juli fehlt es offenbar auch an einem zupackenden Antreiber in der Konzernzentrale.
Mercedes hingegen hat das Siegen in den vergangenen fünf Jahren perfektioniert. «Es gibt keine Wunderwaffe, sondern nur viel harte Arbeit, Kreativität und die richtige Einstellung, um den Druck der Konkurrenz in die richtigen Bahnen zu lenken und weiter zu pushen, um unsere Ziele zu erreichen», sagte Teamchef Toto Wolff. Mit klarer Kante und kühlen Entscheidungen wie bei der Stallregie zugunsten von Hamilton in Sotschi maximieren der Österreicher und seine Crew den Erfolg des Werksteams.
72 der 96 Grand Prix hat Mercedes seit Beginn der Hybridmotoren-Ära 2014 gewonnen, 50 davon gingen auf Hamiltons Konto. In dieser Saison fuhr der Brite bei 17 Versuchen neunmal als Erster durchs Ziel. «Wir haben Kurs gehalten, unseren Plan durchgezogen, immer abgeliefert. Darauf bin ich stolz», sagte Hamilton. Titel Nummer fünf ist für den 33-Jährigen zur Formsache geworden. Vettel dagegen muss seine Jagd schon wieder von vorn beginnen.
(dpa)