Edmonton – Leon Draisaitl bringt auch der mögliche Saisonabbruch in der NHL nicht aus der Ruhe. Als erster deutscher Eishockey-Profi ist der Stürmer der Edmonton Oilers auf dem besten Wege, Topscorer der stärksten Liga der Welt zu werden.
Dass ihm das Coronavirus die Chance womöglich verbaut, nimmt er gelassen. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht der 24-jährige Kölner über sein Training, seinen Hund Bowie und Spiele ohne Zuschauer.
Wie geht es Ihnen?
Leon Draisaitl: Gut soweit. Meine Familie, ich – wir sind alle gesund. Das ist natürlich das Wichtigste. Aber natürlich wird es langsam auch ein bisschen langweilig, aber so geht es ja jedem.
Was fehlt Ihnen denn momentan am meisten?
Draisaitl: Mein Job einfach, das Eishockey spielen, das fehlt mir am meisten.
Wie sehen Ihre Tage jetzt aus?
Draisaitl: Es gibt keinen komplett festen Tagesablauf. Ich stehe auf, gehe mit meinem Hund spazieren, dann trainiere ich zuhause. Ich habe zuhause im Keller einen Kraftraum. Dann wird eigentlich relativ wenig gemacht den Rest des Tages.
Wie ist denn die Corona-Lage in Edmonton und welche Regeln gibt es?
Draisaitl: Ich glaube, das ist relativ ähnlich wie in Deutschland. Restaurants und solche Sachen sind nicht mehr richtig geöffnet, man kann nur noch bestellen und abholen, das war es. Auch hier probieren die Menschen, so gut es geht, drinnen zu bleiben. Ich gehe nur zum Supermarkt raus, zum Spazieren mit meinem Hund – und das war es auch schon.
Ist Ihr Hund Bowie der Einzige, der sich gerade freut, weil Sie so viel Zeit für ihn haben?
Draisaitl: Ja, wahrscheinlich (lacht). Mein Hund ist der Einzige, dem das gerade hier gefällt. Mit einem Schläger spiele ich hier zuhause auch manchmal um ihn herum. Wirkliches Training ist das nicht, aber das macht natürlich Spaß.
Mancher Tennisprofi in den USA hat einen eigenen Tennisplatz zur Verfügung. Gibt es eine Art Sondererlaubnis, dass Sie alleine in die Halle dürfen?
Draisaitl: Nee, bei uns ist alles zu. Hier kommt keiner in die Halle rein. Wir sind auf uns allein gestellt. Ich fahre Fahrrad und mache Krafttraining. Ich probiere, kreativ zu bleiben. Ab und zu trainiere ich alleine, manchmal kriege ich ein Programm von meinem Athletiktrainer, das ist unterschiedlich. Ich probiere einfach, so gut wie es geht, fit zu bleiben.
Die Saison ist seit Mitte März unterbrochen. Wie sehr glauben Sie noch daran, dass die Saison fortgesetzt wird?
Draisaitl: Wir alle hoffen es natürlich, dass wir wieder zurückkommen und die Saison noch zu Ende bringen können. Aber ich glaube, niemand weiß wirklich, was der Plan gerade ist. Wir müssen abwarten und Daumen drücken, dass es irgendwie vielleicht noch klappt.
Es gibt auch die Idee, die Teams der verschiedenen großen Ligen in Nordamerika in Quarantäne zu stecken und in einer Stadt spielen zu lassen. Was halten Sie davon?
Draisaitl: Es gibt mehrere Szenarien, die hier besprochen werden. Aber ich kann nicht sagen, was passieren wird. Und wenn es zu Spielen ohne Zuschauer kommt, dann ist es halt so. Aber eigentlich gehören die Fans halt einfach dazu. Das macht den Sport besonders.
Wie wird es sich anfühlen, irgendwann nach Wochen wieder den Schläger in die Hand zu nehmen?
Draisaitl: Das wird schon ein komisches Gefühl sein, wenn es so kommen wird. Ich glaube, dass jeder Zeit brauchen wird, bis er wieder zurück bei einer normalen Stärke oder Form ist.
Sie spielen eine überragende Saison, sind auf dem besten Wege Topscorer zu werden, als erster Deutscher. Wie sehr würden Sie sich einer Chance beraubt sehen, wenn die Saison abgebrochen würde?
Draisaitl: Das wäre natürlich schade. Aber es ist nicht so, dass mich das um den Schlaf bringt. Zur Zeit gibt es einfach wichtigere Sachen. Natürlich wäre es schade, aber ich kann zur Zeit nichts daran ändern.
Wenn es in dieser Saison nicht klappen würde, wäre es dann fürs kommende Jahr das Ziel, bester Scorer der Liga zu werden?
Draisaitl: Ja, natürlich, ich glaube, das ist von jedem offensiven Spieler etwas, was man sich wünscht oder was man so ein bisschen anstrebt. Aber es ist ein Teamsport und auch mir geht es in erster Linie darum, dass wir als Team Spiele gewinnen und erfolgreich sind.
Die letzten Tage wurden überschattet, Ihr Teamkollege Colby Cave ist mit nur 25 Jahren an einer Hirnblutung gestorben.
Draisaitl: Das ist einfach traurig. Er war ein ganz, ganz feiner Kerl, ein feiner Junge, der jeden Tag mit einem Lachen in die Halle gekommen ist. Es gibt dafür keine richtigen Worte zur Zeit.
ZUR PERSON: Aus dem einstigen Top-Talent ist einer der besten Spieler der Welt geworden. Der 24 Jahre alte Sohn des früheren deutschen Nationalspielers Peter Draisaitl wurde 2014 beim NHL-Draft – der jährlichen Zuteilung der Transferrechte an den besten Spielern eines Nachwuchs-Jahrgangs – schon an dritter Stelle von den Edmonton Oilers gezogen. Das hatte zuvor noch nie ein Deutscher erreicht. Mit 110 Punkten führt Draisaitl die Scorerwertung der NHL klar vor seinem Teamkollegen Connor McDavid (97) an.
(dpa)