Berlin – Im deutschen Sport kommt immer mehr Unruhe auf. Einen Monat vor den Olympischen Winterspielen hat DOSB-Athletensprecher Max Hartung zum Rundumschlag gegen Politik und Sportverbände ausgeholt.
Der Säbelfechter fordert eine massive Veränderung der zu geringen Athletenförderung, klagt über die mangelnde Beteiligung der Sportler an der Leistungssportreform und kritisiert das IOC-Urteil zu Russland. Zudem sorgt der Finanzmittelstau durch die langwierige, bisher vergebliche Bildung einer Bundesregierung für Frust und Unmut.
«Wenn es so läuft wie im Moment, werde ich als Athletensprecher nicht weitermachen», sagte Hartung der «Süddeutschen Zeitung». «Sportler aus anderen Ländern, die in etwa so erfolgreich sind wie ich, verdienen in ihrer Sportkarriere mindestens zehnmal so viel», sagte der Athletensprecher des Deutschen Olympischen Sportbundes.
«Die Sorgen der Athleten müssen abgefedert werden, ohne Aufstockung der Förderung geht es nicht», pflichtete Siegfried Kaidel, Sprecher der Spitzenverbände, Hartung bei. «Da muss der Staat mit ran.»
So forderte Hartung, dass von der für die Umsetzung der Reform vom Bund zugesagten Erhöhung der Mittel «ein relevanter Millionenbetrag» direkt den Athleten zugute kommen solle. «Also für jene Athleten, die nicht bei Polizei, Bundeswehr oder Zoll angestellt sind», fügte er hinzu. Der durchschnittliche Betrag von rund 650 Euro monatlich müsse auf 1500 Euro angehoben werden. «1500 Euro hört sich vielleicht viel an, aber man muss ja auch sehen, dass der Sport die bestmöglichen Leute will und nicht irgendwen», argumentierte er.
Um eine Aufstockung der Athletenunterstützung will sich auch die Deutsche Sporthilfe weiter bemühen. «Noch ist diese Förderung der Athleten in Deutschland nicht ausreichend, um im internationalen Wettbewerb dauerhaft mithalten zu können», sagte ihr Vorstandsvorsitzender Michael Ilgner.
Sollte sich die finanzielle Ausstattung der Athleten nicht verbessern, drohe der Verlust vieler Talente, warnte Hartung. «Da kann man die beste Skischanze haben und den besten Wildwasserkanal, das nützt alles nichts, wenn man keine talentierten Menschen findet, die auch Leistungssport betreiben wollen», sagte Hartung. Er gehört zu den Gründern des Vereins «Athleten Deutschland», mit dem die Topsportler sich mehr Gehör in der Sportpolitik verschaffen wollen.
Ein heikles Thema ist auch die Leistungssportreform, bei der sich die Athleten nicht wirklich einbezogen sehen. Die Umsetzung laufe «im Prinzip leider ohne Athletenbeteiligung», sagte Hartung. «Wenn die Reform jetzt richtig beginnt, müssen die Athleten einfach näher am Ball sein.» Auch in diesem Punkt stimmt ihm Kaidel zu: «Im Nachhinein ist man immer klüger, aber man hätte sie besser einbinden können.»
Allerdings herrscht auch unter den Spitzenverbänden wegen der ungewissen politische Lage in Berlin und dem wohl noch länger andauernden Warten auf mehr Geld große Unzufriedenheit. «Es ist schon lähmend», befand Kaidel, der als Präsident der deutschen Ruderer auch unmittelbar betroffen ist. «Zusätzliche Trainingsmaßnahmen vor der WM im September konnten wir nicht machen.» Dies gelte für alle Verbände. «Jedes Jahr, in dem wir uns nicht optimal vorbereiten können, ist ein verlorenes», meinte Kaidel mit Blick auf die Olympischen Spiele 2020 in Tokio.
Kritik übte Hartung auch an der Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees als Konsequenz aus dem russischen Doping- und Betrugsskandal um die Winterspiele 2014 in Sotschi. Danach dürfen Russen nach bestandener Individualprüfung bei den Spielen im Februar in Pyeongchang starten. «Der ganze Prozess war sehr zäh und sehr enttäuschend», meinte Hartung. Am Ende haben man «zumindest eingeräumt, dass es ein Betrugssystem gab».
(dpa)