Belgrad – Cindy Roleder schlug nach ihrem Sturmlauf die Hände vors Gesicht, Pamela Dutkiewicz stieß einen Jubelschrei aus. Und Ricarda Lobe war schon vor dem kuriosen Fehlstart-Finale über 60 Meter Hürden rundum glücklich und zufrieden.
Gold, Bronze und Platz sechs für das deutsche Frauentrio bei der Hallen-EM in Belgrad – die neue deutsche Hürden-Herrlichkeit macht Hoffnungen auf einen erfolgreichen Sommer. Nach drei Fehlstarts im Finale waren nur schnelle Beine gefragt, sondern auch gute Nerven. Cindy Roleder hatte beides. Die 27-Jährige vom SV Halle blieb auf Bahn sechs ganz cool, auch beim vierten Start schnellte sie noch einmal mit der zweitbesten Reaktionszeit aus den Blöcken.
«Der deutsche Hürdensprint ist bei den Frauen eine richtig starke Disziplin geworden», sagte die nun zweifache Europameisterin: Im Vorjahr holte sich Roleder im Olympiastadion von Amsterdam Gold über 100 Meter Hürden ab, nun folgte ihr erster internationaler Hallentitel. Am 5. Mai will sie in Doha/Katar in die Freiluftsaison einsteigen, Ende Mai in Götzis einen Siebenkampf absolvieren – und sich im August in London einen weiteren Traum erfüllen: Cindy Roleder, die neue Hürdensprint-Weltmeisterin.
Aus der Belgrader Kombank Arena hat sie der Konkurrenz in Übersee schon mal goldige Grüße geschickt. Erstmals seit 31 Jahren standen dort wieder drei deutsche Hürdensprinterinnen im Endlauf einer Hallen-EM. Der Aufschwung in der einstigen deutschen Paradedisziplin tut mit Blick auf das Fernziel Olympia 2020 gut. «Es ist schon geil, wenn alle wieder vor dem Fernseher sitzen und Leichtathletik gucken», erzählte Cindy Roleder, die das Finale in 7,88 Sekunden vor der Weißrussin Alina Talaj (7,92) und Pamela Dutkiewicz (7,95) gewann.
Auch Papa Dutkiewicz hat vor dem TV-Gerät mitgefiebert – und sich riesig über die erste «große» Medaille seiner flotten Tochter gefreut. «Ich glaube, der platzt vor Stolz gerade», sagte die EM-Dritte kurz nach ihrem Bronze-Coup. Als Dutkiewicz vor zwei Wochen Roleder schlug und erstmals deutsche Hallenmeisterin wurde, war ihr Vater als Zuschauer in der Leipziger Arena dabei. «Das live zu erleben, war zu viel für ihn, das hat ihn ganz k.o. gemacht», sagte die Tochter. «Der schaut sich das jetzt lieber im Fernsehen an.»
Was macht die deutschen Hürdensprinterinnen, die mit Nadine Hildebrand sogar noch ein viertes Ass im Ärmel haben, eigentlich so stark? «Erst mal ist es unsere mentale Stärke», erklärte Cindy Roleder. «Wir sind aber auch sehr breit aufgestellt. Wir haben alle an unserer Technik gefeilt, wir wissen alle, wie wir die Schritte setzen müssen. Und dann brauchen wir nur noch ein bisschen Geschwindigkeit auf die Bahn zu bringen», sagte sie lachend.
Silber bei der WM 2015 in Peking hat Cindy Roleder beflügelt – seither geht sie positiv in jedes Rennen. «Ich weiß, ich kann hier alle schlagen», sagte sie, «und wenn ich das weiß, dann weiß das Pamela auch, und dann wissen das irgendwann auch Ricarda und Nadine. Und auf einmal wissen wir alle, dass wir da voll mitrennen und auch bei einer WM mitmischen können.» So simpel ist die neue deutsche Hürden-Herrlichkeit.
(dpa)