Grove – Mit vernichtenden Urteilen kennt sich Formel-1-Neuling Lance Stroll mittlerweile aus. Selbst nach seinem Coup am Kaspischen Meer wird sich der Milliardärssohn aus Kanada weiter mit dem Argwohn in der Branche arrangieren müssen.
«Ich denke, das beweist gar nichts», meinte der 18-Jährige nach seiner verblüffenden Fahrt auf’s Podium beim Grand Prix von Aserbaidschan auf die Frage, ob denn vielleicht nun die Kritik allmählich verstummen werde. «Ich höre mir den Kram auch nicht an, das ist nur Lärm.»
Für Krach hat der Teenager selbst gesorgt. Nach drei Unfällen an den ersten beiden Testtagen für sein neues Williams-Team wurde Stroll schnell der Beiname «Crashkid» verpasst. Seine ersten drei Grand Prix konnte der Mann aus Montréal dann auch unverschuldet nicht beenden. Danach folgten die Ränge 11, 16 und 15 – teils hilfslose Funksprüche an seine Box inklusive.
«Die Ergebnisse sprechen doch für sich», ätzte der selten um einen Kommentar verlegene kanadische Formel-1-Weltmeister von 1997, Jacques Villeneuve. «Das ist eine der schlimmsten Vorstellungen eines Neulings in der Geschichte der Formel 1.»
Ausgerechnet in Kanada sicherte sich Stroll aber seine ersten beiden Formel-1-Punkte. Der dritte Rang im irren Rennen von Baku ist nun die vorläufige Krönung seiner jungen Karriere. «Ich kann gar nicht beschreiben, wie ich mich fühle, es ist mehr als großartig», meinte Stroll, der in einem konfusen Rennen die Übersicht behielt. «Mir fehlen ein bisschen die Worte.»
Dafür können Zahlen helfen. Erst als dritter Kanadier nach Jacques Villeneuve und dessen Vater Gilles erklomm Stroll das Podest. Mit 18 Jahren und 239 Tagen ist er nach Red-Bull-Pilot Max Verstappen der jüngste Formel-1-Fahrer auf dem Podium. «Ich kann mich noch viel mehr verbessern, es braucht nur etwas Zeit», warb Stroll um Geduld.
Zeit ist im Sekundengeschäft Formel 1 aber die kostbarste Währung. Und ohne Geld geht gar nichts. Rund 80 Millionen Dollar soll sich Strolls Vater Lawrence den Aufstieg seines Sohnes in die Königsklasse des Motorsports kosten haben lassen. Fast die Hälfte soll alleine an Williams für das begehrte Cockpit neben dem brasilianischen Routinier Felipe Massa geflossen sein.
Mit Beteiligungen in der Modebranche wurde Papa Stroll reich. Nun macht sich auch sein Formel-1-Investment in Form von Punkten immer mehr bezahlt. «Je mehr Runden man im Auto verbringt, desto wohler fühlt man sich. Zeit ist der entscheidende Faktor», sagte Lawrence Stroll, der in seiner Freizeit klassische Ferrari sammelt.
Der Beigeschmack, in die Formel 1 eingekauft worden zu sein, wird seinen Junior weiter begleiten. Allerdings hat Lance Stroll seine Qualität in Nachwuchsserien reihenweise bewiesen. Nach dem Titel in der italienischen Formel 4 vor drei Jahren gewann er in der vergangenen Saison überlegen die Formel-3-EM.
«Ich werde weiter an mir arbeiten», versicherte Stroll, «ich bin noch nicht fertig.» In Spielberg kann er als nächstes beweisen, wie steil seine Lernkurve verläuft.
(dpa)